Süddeutsche Zeitung

Strafzölle auf Stahl und Aluminium:Trump macht Ernst mit "America first"

  • US-Präsident Donald Trump will Stahl- und Aluminiumimporte künftig mit hohen Zöllen belasten.
  • Die offizielle Begründung lautet, dass die Abhängigkeit der USA von Stahl- und Aluminiumimporten die nationale Sicherheit gefährde.
  • Die Entscheidung könnte einen Handelskrieg aus Sanktionen und Gegensanktionen auslösen und am Ende sogar die Weltkonjunktur abwürgen.
  • An der New Yorker Börse zogen die Kurse amerikanischer Stahlhersteller deutlich an, der Dow Jones verlor zwischenzeitlich fast 500 Punkte.

Von Claus Hulverscheidt, New York, Benedikt Müller und Henrike Roßbach

Am Ende konnte Donald Trump sein Wissen einfach nicht mehr für sich behalten, dabei hatte das Weiße Haus erst kurz zuvor betont, der Präsident wolle sich bei einem Treffen mit Branchenvertretern noch einmal alle Argumente anhören und dann in Ruhe entscheiden. Doch Ruhe ist Trumps Sache nicht, und daher ist nun klar: Die USA werden Stahl- und Aluminiumlieferungen aus dem Ausland mit Zöllen von 25 beziehungsweise zehn Prozent belegen. Das übertrifft die schlimmsten Befürchtungen vieler europäischer und asiatischer Hersteller und könnte einen Handelskrieg auslösen, der die Weltkonjunktur abwürgt. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker kündigte bereits Gegenaktionen an. "Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie unsere Industrie durch unfaire Maßnahmen getroffen wird, die Tausende europäische Arbeitsplätze gefährden", sagte er.

Die offizielle Begründung für die Einführung der Zölle lautet, dass die Abhängigkeit der USA von Stahl- und Aluminium-Importen die nationale Sicherheit gefährde. Tatsächlich ist es so, dass die US-Rüstungsindustrie zuletzt Probleme hatte, alle Teile, die etwa für den Bau eines U-Boots benötigt werden, im Inland einzukaufen. Viele Experten glauben dennoch, dass es Trump vor allem darum geht, die US-Wirtschaft öffentlichkeitswirksam vor Konkurrenz aus dem Ausland zu schützen. Das Sicherheitsargument, ein Relikt aus dem Kalten Krieg, kam ihm dabei gelegen, da es ihm die Einführung von Zöllen ohne Rücksprache mit dem Kongress erlaubt. Dass Trump vor allem an seinen Slogan "Amerika zuerst" denkt, hatte er zuvor im Kurzmitteilungsdienst Twitter selbst angedeutet: Die heimische Stahl- und Aluminium-Industrie sei wegen unfairer Handelspraktiken anderer Länder und der schlechten Politik früherer US-Regierungen jahrzehntelang immer stärker dezimiert worden, schrieb er. "Wir dürfen nicht länger zulassen, dass unser Land, unsere Firmen und Arbeiter übervorteilt werden.

Wir wollen freien, fairen und schlauen Handel." Allerdings dürfte der Beschluss auch innerhalb der USA nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen. Insbesondere die stahlverarbeitende Industrie hatte im Vorfeld vehement vor Zöllen gewarnt, da diese die Preise und damit auch die Kosten in die Höhe treiben würden. Auch führende republikanische Abgeordnete rieten Trump dringend von seinem Kurs ab, ebenso wichtige Regierungsmitglieder wie Verteidigungsminister James Mattis und Wirtschaftsberater Gary Cohn. Sie fürchten diplomatische Verwicklungen und einen globalen Wirtschaftskonflikt. Auch der Chef der Regionalzentralbank von New York, William Dudley, warnte: "Wenn die Unterstützung für einen liberalisierten Handel in einer weltweit integrierten Wirtschaft deutlich nachlässt, könnte dies zu einem langsameren Wachstum und niedrigeren Lebensstandards in der Welt führen", sagte er.

Die gesamte Branche leidet darunter, dass viel mehr Stahl hergestellt als von der verarbeitenden Industrie nachgefragt wird. Vor allem chinesische Produzenten haben in den letzten Jahren massive Überkapazitäten aufgebaut. In der Folge sanken die Weltmarktpreise. Staaten wie Brasilien, Indien oder Russland erheben zum Schutz ihrer Firmen bereits Importzölle. Andere Hersteller drosselten die Produktion, strichen Stellen oder fusionierten mit Konkurrenten, um die Kosten zu senken. Trump kündigte bei dem Treffen mit Branchenvertretern an, er werde nächste Woche einen Erlass unterzeichnen, der auch für die Vereinigten Staaten die Einführung von Einfuhrzöllen vorsehe. "Damit werden Sie zum ersten Mal seit langer Zeit Schutz genießen", erklärte er an die versammelten Top-Manager gewandt. Zu Details oder etwaigen Ausnahmen sagte er nichts.

Kommt es zu einem allgemeinen Zoll, werden darunter neben chinesischen und koreanischen auch deutsche Hersteller leiden. In der Bundesrepublik arbeiten noch etwa 85 000 Beschäftigte in der Branche, vor allem für die Produzenten von Walzstahl sind die USA nach der EU der zweitwichtigste Auslandsmarkt. Die deutschen Firmen hatten gehofft, dass es bei den Zöllen Ausnahmen etwa für Nato-Staaten geben wird. Schließlich, so die Begründung, ziehe das Argument der nationalen Sicherheit nicht, wenn es um Bündnispartner gehe.

Trump ignorierte dies jedoch offenbar. Dieter Kempf, der Chef des Industrieverbands BDI, sagte, die USA riskierten mit dem Beschluss "weltweite Handelskonflikte und eine Spirale des Protektionismus, die am Ende auch amerikanische Jobs kosten werden". Sein Kollege Holger Bingmann vom Außenhandelsverband BGA sagte, es sei "äußerst bedauerlich, dass Präsident Trump allen Warnungen zum Trotz die Situation eskaliert und damit Gegenmaßnahmen provoziert". Nun gelte es, einen kühlen Kopf zu bewahren. "Wir müssen höllisch aufpassen, dass, bei aller berechtigten Gegenwehr der EU, nicht am Ende alle auf der Strecke bleiben. Wird der Welthandel gestört, gibt es nur Verlierer."

Der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, warf den USA vor, sie verstießen "eindeutig gegen Regeln der Welthandelsorganisation WTO". Entsprechend konsequent müsse die EU nun vorgehen. Bleibe Brüssel untätig, drohe Europa "durch Handelsumlenkungen eine neue Stahlschwemme". Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte dagegen, man wisse bisher von keiner offizielle Entscheidung der US-Regierung.

Trumps Ankündigung von Einfuhrzöllen hat an der New Yorker Börse einen Kursrutsch ausgelöst. Der Leitindex Dow Jones gab zunächst fast 500 Punkte nach. Besonders stark fielen die Kurse von Industrieunternehmen, die von höheren Stahl- und Aluminiumpreisen getroffen werden könnten.

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SZ vom 02.03.2018/fued
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