Süddeutsche Zeitung

Handelspolitik:Wie sehr die Zölle der deutschen Wirtschaft schaden

Der Streit über Flugzeugsubventionen belastet auch Firmen aus anderen Branchen, zeigt eine Studie. Etwa den Kekskonzern Lambertz.

Von Björn Finke, Brüssel

Hermann Bühlbecker ist sauer: "Es gibt Streit um Subventionen in der Großindustrie, und wir deutsche Mittelständler müssen die Zeche zahlen", klagt der Alleingesellschafter des Aachener Keks- und Süßwarenherstellers Henry Lambertz. Das Traditionsunternehmen verkauft seine Printen, Lebkuchen, Christstollen und Kekse weltweit; wichtigster Markt außerhalb Europas sind die USA. Doch seit anderthalb Jahren belasten Strafzölle Geschäfte in dem Land.

Die Zölle haben die EU und die USA gegenseitig verhängt, im Streit um Beihilfen für die Flugzeugproduzenten Boeing und Airbus. Betroffen sind neben Jets zahlreiche andere Waren. "Erst fallen 25 Prozent Strafzölle der EU auf unsere Importe von Mandeln aus Kalifornien an", sagt Bühlbecker. "Dann 25 Prozent Zölle der USA, wenn wir unser Gebäck aus Deutschland exportieren." Immerhin vereinbarten Brüssel und Washington Anfang März, die Zölle bis 11. Juli auszusetzen und eine Verhandlungslösung zu suchen. "Dafür ist es allerhöchste Zeit", sagt der Printenbäcker.

Wie sehr die Zölle der deutschen Wirtschaft schaden, zeigt eine Studie von Gabriel Felbermayr, dem Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Auftraggeber ist die Stiftung Familienunternehmen, die Interessenvertretung großer familiengeführter Konzerne. Die Untersuchung wird an diesem Montag präsentiert; sie liegt der Süddeutschen Zeitung vorab vor. Bei betroffenen Firmen außerhalb der Flugzeugindustrie senkten die US-Zölle demnach die Exporte von Deutschland in die Vereinigten Staaten um mindestens 40 Prozent.

Nahrungsmittel sind besonders betroffen

Insgesamt lassen die Abgaben den Wert der deutschen Ausfuhren in die USA um 883 Millionen Euro jährlich schrumpfen, schätzt Felbermayr. Neben Flugzeugen und Flugzeugteilen ist die Produktgruppe Nahrungsmittel, Getränke und Tabak besonders betroffen - auf sie entfällt mehr als ein Drittel der Einbußen.

Zu diesem Segment gehören auch die Leckereien des Kekskonzerns Lambertz. Wobei dessen Umsatz in den USA nur wenig abgenommen hat, von 28 auf 26 Millionen Euro. Doch die Gewinnmarge habe ebenfalls gelitten, klagt Firmeneigner Bühlbecker: "Die Einzelhändler waren nicht bereit, den Zoll auf den Verkaufspreis draufzuschlagen, also haben wir als Hersteller das im Großen und Ganzen tragen müssen."

Der Disput, der hinter all dem Ärger steckt, ist nun schon 17 Jahre alt: Seit 2004 streiten die EU und die USA über Subventionen für Boeing und Airbus. Im Herbst 2019 gestand die Welthandelsorganisation WTO Washington dann zu, 7,5 Milliarden Dollar Strafzölle zu verhängen, weil europäische Staaten Airbus unrechtmäßige Beihilfen gezahlt hätten - eine Entscheidung ganz nach dem Geschmack des damaligen Präsidenten Donald Trump.

Es gibt noch weitere Strafzölle

Im Oktober vorigen Jahres legte die WTO wiederum fest, dass die EU Strafzölle von bis zu vier Milliarden Dollar jährlich gegen die USA einführen darf, als Ausgleich für ungerechtfertigte Beihilfen an Boeing. Den Schritt vollzog Handelskommissar Valdis Dombrovskis aber erst im November, pikanterweise wenige Tage nach dem Wahlsieg des neuen amerikanischen Präsidenten Joe Biden.

Die EU hofft, mit Biden diese und andere Handelsstreitigkeiten beilegen zu können. So führte Trump bereits ein gutes Jahr vor den Airbus-Strafzöllen Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte ein - die EU reagierte darauf mit eigenen Zöllen. Handelskommissar Dombrovskis schlägt vor, dass beide Parteien diese Zölle ebenfalls aussetzen, so wie bei Airbus und Boeing. Ihm schwebe hier eine Pause von sechs Monaten vor, um in der Zeit "eine Verhandlungslösung zu erreichen", sagte er dem Spiegel.

Ein Ende der ganzen Handelsstreitigkeiten würde auch Rainer Kirchdörfer freuen, Vorstandsmitglied der Stiftung Familienunternehmen: Schließlich belege die von seiner Stiftung in Auftrag gegebene Untersuchung "klar, dass durch die Strafzölle beide Seiten verlieren".

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