Strafzinsen:Banken dürfen Strafzinsen nicht nachträglich einführen

Staat soll Sparern helfen

Bei laufenden Verträgen dürfen Banken nicht einfach Strafzinsen einführen, entschied ein Gericht.

(Foto: dpa)
  • Banken dürfen keine Strafzinsen für Geldanlagen von Sparern verlangen. Das hat das Landgericht Tübingen entschieden.
  • Konkret ging es um eine Volksbank in Baden-Württemberg. Das Urteil könnte aber wegweisend für die ganze Branche sein.

Von Harald Freiberger

Banken dürfen von ihren Kunden bei schon bestehenden Konten keine Strafzinsen verlangen. Das entschied das Landgericht Tübingen am Freitag in einem Urteil gegen die Volksbank Reutlingen (Aktenzeichen 4 O 187/17). Diese hatte im Preisaushang Negativzinsen für drei Produkte eingeführt, unter anderem für eine Festgeldanlage ab dem Betrag von 10 000 Euro. Das Gericht erklärte dies für rechtswidrig. Bei bereits abgeschlossenen Einlagegeschäften könne die Bank nicht einseitig nachträglich eine Entgeltpflicht einführen. Weil die Volksbank nicht zwischen Alt- und Neuverträgen unterschieden habe, seien ihre Klauseln insgesamt unwirksam.

Das Urteil könnte Folgen für alle Banken haben, die von ihren Kunden einen Negativzins verlangen. Davon gibt es mittlerweile eine ganze Reihe. Den Anfang hatte vor mehr als zwei Jahren die Skatbank gemacht, die Direktbanktochter einer thüringischen Volksbank. Sie gibt den Negativzins, den die Europäische Zentralbank (EZB) für kurzfristige Einlagen der Banken verlangt, an Kunden mit hohem Vermögen weiter. Die EZB berechnet den Banken derzeit einen Negativzins von 0,4 Prozent.

Weitere Banken folgten den Beispiel der Skatbank, zum Beispiel die Volksbank Stendal, die Volksbank-Raiffeisenbank Niederschlesien, die Raiffeisenbank Gmund oder die Volksbank Pinneberg-Elmshorn. Sie berechnen den Strafzins ab höheren Anlagebeträgen von 100 000 oder 500 000 Euro.

Die Volksbank Reutlingen war das erste Institut, das den Negativzins auch bei niedrigeren Beträgen einführen wollte, genauer gesagt ab 10 000 Euro. Daraufhin meldeten sich Kunden bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die im Sommer 2017 eine Unterlassungserklärung anstrengte, um Negativzinsen auf Geldanlagen auch für die Zukunft zu verhindern. Weil die Volksbank Reutlingen keine Unterlassungserklärung abgab, kam es nun zu dem Urteil.

"Das Gericht stellt klar, dass Negativzinsen für bestehende Geldanlageverträge nicht mit Klauseln eingeführt werden können, wie sie die Volksbank Reutlingen verwendet hat", kommentiert Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg das Urteil. Die Bank könne nicht im Kleingedruckten aus einer Geldanlage einen kostenpflichtigen Verwahrungsvertrag machen.

Die Verbraucherzentrale berief sich auf das Bürgerliche Gesetzbuch. Nach Paragraf 488 sei nur der Darlehensnehmer - also die Bank - verpflichtet, den geschuldeten Zins zu zahlen. Der Darlehensgeber - also der Kunde - könne dagegen nicht dazu verpflichtet werden. Negativzinsen seien damit ausgeschlossen.

Nach Auffassung Nauhausers ist das Urteil auch auf andere Banken übertragbar, sofern sie den Negativzins für ein Produkt verlangen, das mit vergleichbaren Klauseln als Geldanlage beworben wird. "Der Vertragstypus darf nicht per Klausel geändert werden", sagt der Verbraucherschützer. Die Bank müsste, wollte sie einen Negativzins verlangen, mit jedem Kunden den Vertrag neu verhandeln und darin vereinbaren, dass sie ein Entgelt für die Verwahrung verlangen kann. Nauhauser will nicht ausschließen, dass die Verbraucherzentralen auch gegen andere Banken klagen. Derzeit seien aber keine weiteren Klagen anhängig.

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