Strafen für das Elektrokartell:Rekordbuße trifft Siemens unvorbereitet

Der Siemens-Konzern muss wegen illegaler Preisabsprachen jetzt die höchste je von Brüssel verhängte Buße bezahlen. Rückstellungen hatte der Konzern allerdings dafür nicht gebildet.

Unmittelbar vor der wegen der Korruptionsaffäre und der Pleite der ehemaligen Handysparte schwierigen Siemens-Hauptversammlung gerät der Konzern weiter unter Druck.

Nachdem bereits am Dienstag neue Vorwürfe gegen amtierende Vorstände im Zusammenhang mit Schmiergeldern laut geworden waren, belegte die EU-Kommission den Konzern am Mittwoch, einen Tag vor dem Aktionärstreffen, mit einem Rekordbußgeld von knapp 400 Millionen Euro.

Quartalsergebnis leidet

Siemens muss sie rasch bezahlen. "Es gibt keine aufschiebende Wirkung, wir müssen das in einer Frist von drei Monaten überweisen", sagte der Chef des Bereichs Power Transmission & Distribution, Udo Niehage.

Das Bußgeld werde daher "unmittelbar ergebniswirksam" im ersten Quartal verbucht. Eine Rückstellung für das Bußgeld, gegen das Siemens gerichtlich vorgehen will, habe es nicht gegeben.

Der Konzern soll sich maßgeblich an einem Kartell für gasisolierte Schaltanlagen beteiligt haben. Siemens kündigte gerichtlichen Widerstand an.

Insgesamt verhängte die EU-Kommission gegen Siemens und weitere Elektronikkonzerne wegen der Beteiligung an dem Kartell Geldbußen von insgesamt 750,7 Millionen Euro, nach EU-Angaben die bislang höchste Strafe in einer Kartellsache.

Neben Siemens sind ABB, Alstom, Areva, Fuji, Hitachi Japan AE Power Systems, Mitsubishi Electric Corporation, Schneider, Toshiba und VA Tech betroffen. Zur Siemens-Strafe von 396,6 Millionen Euro kommen weitere 22 Millionen Euro hinzu. Diese Strafe verhängte die EU-Kommission gegen den österreichischen Konzern VA Tech, den Siemens 2005 übernommen hat.

Siemens wies den "pauschalen Vorwurf" der EU-Kommission zurück, von 1988 bis 2004 an einem Kartell im europäischen Markt für gasisolierte Hochspannungsschaltanlagen beteiligt gewesen zu sein.

"Absolut überzogen"

Die Bußgelder seien "absolut überzogen" und "nicht nachvollziehbar", sagte der Vorstandsvorsitzende des zuständigen Siemens-Bereichs PTD, Udo Niehage. Absprachen bei gasisolierten Hochspannungsschaltanlagen habe es lediglich von Oktober 2002 bis April 2004 bei einigen wenigen Projekten im europäischen Wirtschaftsraum gegeben. Der Konzern kündigte deshalb an, vor dem Europäischen Gerichtshof gegen den Bescheid zu klagen.

Die EU-Untersuchungen bei den Herstellern von gasisolierten Hochspannungsschaltanlagen liefen seit dem Jahr 2004. Bei den Konstruktionen handelt es sich um schwere elektrische Anlagen, die zur Kontrolle des Energieflusses in Stromnetzen eingesetzt werden.

Sie gelten als wichtiger Bestandteil von schlüsselfertigen Umspannwerken. Der schweizerische ABB-Konzern hatte die Ermittlungen mit einer Selbstanzeige bei der EU ins Rollen gebracht und der Kommission unter anderem Informationen über das Kartell vorgelegt.

Dem Konzern wird deshalb die verhängte Strafe von 215 Millionen Euro erlassen. Die Rekordstrafe dürfte den wegen der Pleite der ehemaligen Mobiltelefonsparte BenQ Mobile und der Affäre um schwarze Kassen ohnehin hohen Druck auf den Vorstandsvorsitzenden Klaus Kleinfeld und den Aufsichtsratsvorsitzenden Heinrich von Pierer auf der Hauptversammlung am Donnerstag in München noch weiter erhöhen.

Erst am Dienstag hatte das Wall Street Journal unter Berufung auf Zeugenaussagen berichtet, dass die Vorstände Joe Kaeser und Rudi Lamprecht in das System schwarzer Kassen verwickelt gewesen sein sollen.

Siemens hatte das umgehend dementiert. Der Siemens-Aktie zeigte sich wie von Analysten zuvor erwartet unbeeindruckt von der Kartellstrafe. Die Aktie lag am Nachmittag in einem freundlichen Marktumfeld mit 0,45 Prozent bei 76,90 Euro um Plus.

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