Bilanzpressekonferenzen sind für gewöhnlich nüchterne Veranstaltungen, mit jeder Menge Zahlen und Kurven, die von Erfolgen und Misserfolgen zählen. Doch manchmal gibt es da auch die seltenen Momente, in denen das Leben durchscheint und das, was sich sonst nur hinter den Fassaden der Chefetagen abspielt.
So ein emotionaler Moment war am Montag, als der Baukonzern Strabag in Wien seine Jahreszahlen für das Geschäftsjahr 2024 präsentierte, zudem die besten, die der österreichische Konzern je erzielt hat. Doch das schien fast nebensächlich an diesem Tag. Denn der Mann, für dieses Ergebnis maßgeblich verantwortlich war, fehlte im Konferenzraum: Der frühere Konzernchef Klemens Haselsteiner, der Anfang des Jahres mit nur 44 Jahren völlig überraschend gestorben war.


Seinen Platz auf dem Podium hatte nun Stefan Kratochwill inne, seit einigen Wochen der neue Vorstandsvorsitzende der Strabag, zu der auch die Stuttgarter Firma Züblin gehört. Der groß gewachsene Mann, die grauen Haare zurückgekämmt, gibt sich sachlich und zurückhaltend, Anwesende begrüßt er mit Handschlag. „Unser Erfolg ist ein besonderer Verdienst von Klemens. Sein Tod hat uns tief getroffen“, sagt er gleich zu Beginn und lässt keinen Zweifel daran, dass er Haselsteiners umfassenden Reformkurs fortsetzen wird. Der umfasst ehrgeizige Klima- und Nachhaltigkeitsziele – und natürlich weiteres Wachstum.
Ein Mann in den hinteren Stuhlreihen hörte Kratochwill ganz genau zu an diesem Morgen: Hans Peter Haselsteiner, langjähriger Strabag-Vorsitzender, Hauptanteilseigner und Vater von Klemens Haselsteiner, inzwischen über 80 und gesundheitlich angeschlagen. Er umarmt Kratochwill im Anschluss an den Termin – und setzt damit auch ein Zeichen. Der Neue ist für ihn der Mann, der die Strabag in unruhigen Zeiten auf Kurs halten soll.

Tod des Konzernchefs:Strabag verliert einen Visionär
Der überraschende Tod von Konzern-Chef Klemens Haselsteiner trifft die Strabag hart. Der 44-Jährige wollte den österreichischen Baukonzern modernisieren und grüner machen. Sein Kurs soll nun fortgesetzt werden, aber wie?
Kratochwill bringt dafür gute Voraussetzungen mit. Sein gesamtes Berufsleben hat der Wirtschaftsingenieur und Maschinenbauer bei der Strabag verbracht. Zuletzt war er für die Baumaschinensparte BMTI verantwortlich. An der Zukunftsstrategie des Konzerns, die Klemens Haselsteiner entwickelt hat, hat er mitgearbeitet. Dieser hatte den Vorstandsvorsitz gerade einmal zwei Jahre inne. Er war auch der einzige unter den vier Söhnen Hans-Peter Haselsteiners, der sich für das Baugeschäft interessierte. Das Bauunternehmen steht wie die gesamte Branche vor gewaltigen Herausforderungen. Deutschland will Infrastrukturprojekte in den kommenden Jahren mit 500 Milliarden Euro fördern, der Bausektor steht vor einem Boom, so zumindest hoffen viele. Hinzu kommen mögliche Aufbaupläne für die Ukraine, sollte der Krieg irgendwann einmal beendet sein.
Für die Strabag mit ihren weltweit 86 000 Beschäftigten könnte es jetzt schon kaum besser laufen. Beim Umsatz legte der Konzern 2024 um ein Prozent auf 19 Milliarden Euro zu, der Auftragsbestand wuchs um acht Prozent auf 25 Milliarden Euro, das Konzernergebnis schoss um 31 Prozent auf 823 Millionen Euro in die Höhe. „Das beste Ergebnis unserer Geschichte“, sagt Kartochwill. Auch im laufenden Jahr rechnet er mit weiterem Wachstum, so soll der Umsatz auf 21 Milliarden Euro. steigen.
Fast die Hälfte des Auftragsbestands der Strabag stammt aus Projekten in Deutschland. Da könnte in den kommenden Jahren noch mehr kommen. 16 000 Brücken seien in einem schlechten Zustand, ein alarmierendes Zeichen, betont Kratochwill. Das viele Geld allein sei jedoch kein Garant dafür, dass es nun schnell vorangeht, „da muss etwas bei Genehmigungs- und Ausschreibungsprozessen passieren“, sagt er. Was Kratochwill meint: Da müssen die Deutschen schneller werden.
Das Infrastrukturpaket wirkt erst von 2027 an
Die deutschen Großprojekte, an denen derzeit gearbeitet wird, laufen laut Kartochwill gut. Dazu gehören die großen Stromleitungstrassen Südlink und Südostlink, Chipfabriken und andere Technologiestandorte sowie Projekte für erneuerbare Energien. Dagegen spüre das Unternehmen nach wie vor eine Zurückhaltung bei öffentlichen Projekten, die Kassen vieler Kommune seien leer. Der Firmenchef rechnet erst 2027 und 2028 mit einer größeren Zahl von Aufträgen infolge des Infrastrukturpaketes. Es dauere eben, bis die neue Bundesregierung die Rahmenbedingungen festgelegt habe.
Für den erwarteten Bauboom sieht sich das Unternehmen gut gerüstet. „Wir sind noch nicht voll ausgelastet in Deutschland, außerdem wollen wir durch Übernahmen zusätzliche Kapazitäten schaffen“, so Kartochwill. Darüber hinaus investiere das Unternehmen in Ausbildung und Nachwuchsförderung. In der starken Konzentration der Strabag auf den deutschen Markt sieht der Firmenchef aber auch ein Problem. Ausbauen will der Konzern daher seine Position in anderem Regionen der Welt, etwa mit der Übernahme eines Baukonzerns, der in Australien tätig ist.
An den von Haselsteiner gesetzten Klimazielen hält der neue Konzernchef fest. Ungeachtet dessen, dass sich in der Gesellschaft die Stimmen jener mehren, die den Kampf gegen den Klimawandel infrage stellen. „Wir werden unsere Strategie weiter führen“, sagt Kartochwill. Bis 2040 werde Strabag klimaneutral sein. Dazu investiert der Konzern unter anderem in neue Technologien für Baumaschinen.
Veränderungen gibt es auch in der Eigentümerstruktur: Hans Peter Haselsteiner reduzierte jüngst den Anteil seiner Familien-Privatstiftung von 30,7 auf 29 Prozent. Den Erlös aus dem Verkauf kann er vermutlich gut brauchen. Im Zuge der Pleite von René Benkos Signa Holding verlor er viel Geld aus seinem Privatvermögen. Nach eigenen Angaben war er mit 15 Prozent an der Signa Holding beteiligt, bevor das Unternehmen in die Krise geriet.