Stolpes Lösung:Kredit statt Maut

Der Bund will sich mit weiteren 2,1 Milliarden Euro verschulden, um das Straßen- und Schienennetz trotz des Desasters bei der Lkw-Maut ausbauen zu können. Die Rückzahlung soll aus künftigen Maut-Erlösen erfolgen.

Von Klaus Ott

Fast ein halbes Jahr nach dem ursprünglichen Termin für die Einführung der Lkw-Maut in Deutschland gibt es in der Bundesregierung erstmals konkrete Pläne, wie das Malheur finanziell bewältigt und die Bauindustrie vor weiteren Rückschlägen verschont werden könnte.

Laut einem der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Vorschlag für einen Gesetzentwurf aus dem Haushaltsreferat des Verkehrsministeriums ist ein Großkredit über 2,1 Milliarden Euro vorgesehen. Das entspricht dem Betrag, der Minister Manfred Stolpe (SPD) in diesem Jahr für Investitionen in Straßen und den Ausbau des Schienennetzes fehlen würde.

Zeitweilige Abweichung

Den Milliarden-Kredit soll die Verkehrs-Infrastruktur-Finanzierungs-Gesellschaft (VIFG) aufnehmen, die dem Bund gehört und deren Aufgabe es ist, die Mauterlöse zu verwalten. Bislang darf die VIFG keine Schulden machen.

Das soll nun mit einem "Gesetz zur zeitweiligen Abweichung" vom bisherigen Maut-Gesetz geändert werden, das aus drei Paragrafen besteht. Danach sind ab 2005 Mauterlöse in Höhe von 400 Millionen Euro pro Jahr für die Rückzahlung des Großkredites zu verwenden.

Das von DaimlerChrysler und der Telekom getragene Maut-Konsortium will die Lkw-Abgabe nunmehr im Oktober starten. Bis zum Ende des Jahrzehnts würden die 400 Millionen für den Straßen- und Schienenbau fehlen. "In Höhe der Kredit-Tilgung steht das Mautaufkommen nicht für Investitionen zur Verfügung", besagt die Gesetzes-Erläuterung aus dem Verkehrsressort.

Zahler offen

Der Text lässt offen, wer die Zinsen für den Milliarden-Kredit zahlt. Stolpes Ministerium möchte vermeiden, dass Finanzminister Hans Eichel der Europäischen Union (EU) neue Schulden melden muss. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte vergangene Woche erklärt, Stolpe und Eichel verhandelten derzeit, wie man die Mautausfälle begleichen und einen "Konjunkturschub geben" könne.

Das Verkehrsressort hofft laut der Erläuterung des Entwurfes, die VIFG werde den Großkredit "eventuell" ohne Bürgschaft des Bundes erhalten. Die künftigen Mauterlöse seien eine "Sicherheit für die Rückzahlung".

Die Opposition hält das für illusorisch. "So blöd ist keine Bank", sagt Dirk Fischer, verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die Finanz-Institute erlebten gerade, "wie unsicher bei der Maut die Spekulationen der Regierung sind". Fischer betrachtet auch andere Versuche der Regierung als abwegig, die EU zu umgehen.

Rückgriff auf Bürgschaften

Das Verkehrsministerium schreibt, bei einer eventuell doch nötigen "Kreditgewährleistung" des Bundes für die VIFG könne womöglich auf vorhandene Bürgschaften zurückgegriffen werden. Eichels Ressort solle laut Entwurf des Haushaltsgesetzes die Erlaubnis des Bundestags bekommen, zur "Förderung der Binnenwirtschaft" für Geschäfte und Kredite im In- und Ausland in Höhe von maximal 105 Milliarden Euro zu haften.

Mit dem Finanzministerium sei zu klären, ob hier genug Spielraum für eine "Abdeckung der VIFG-Kredite" vorhanden sei, notierte Stolpes Ressort. Bei den Defizit-Kriterien der EU, die eine Staatsverschuldung von drei Prozent des Bruttosozialproduktes erlauben, sei eine VIFG-Bürgschaft des Bundes jedenfalls "unerheblich". Fischer spricht von einem Versuch, den Verkehrs-Kredit "in einem Schattenhaushalt zu verstecken".

Zusätzliche Staatsschulden

Tatsächlich handele es sich um zusätzliche Staatsschulden, die im Bundeshaushalt ausgewiesen und der EU gemeldet werden müssten. Das sei die sauberste Lösung. Im übrigen werde mit dem geplanten Kredit die Lücke bei den Verkehrs-Investitionen nicht geschlossen, sondern "nur in die Zukunft verschoben". Auf die Dauer fehle dieses Geld.

Das Verkehrsministerium erklärte auf Anfrage, die Regierung wolle bald entscheiden, wie die fehlenden Maut-Mittel ersetzt würden. "Wir bereiten alle möglichen Szenarien vor." Bei dem Entwurf für einen Milliarden-Kredit handele es sich um ein "Arbeitspapier".

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