Stofftiere: Steiff verlässt China:Der Teddy kommt zurück

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Gescheitert bei der Globalisierungsstrategie: In China war die Qualität zu schlecht - jetzt produziert der Plüschtierhersteller Steiff wieder in Deutschland, vor allem in Duisburg.

Caspar Dohmen

Der Durchbruch gelang vor mehr als hundert Jahren: 1902 entwickelte der Neffe von Firmengründerin Margarete Steiff einen Plüschbären und taufte ihn nach dem US-Präsidenten Theodore Roosevelt.

Es war die Geburtsstunde des Teddy und die Grundlage für den Erfolg des Plüschtierherstellers Steiff, der 1880 im schwäbischen Giengen gegründet wurde. Ganze deutsche Kindergenerationen wuchsen mit dem Teddy auf.

Doch vor ein paar Jahren geriet die Firma in arge Schwierigkeiten. Der Umsatz stockte. Plötzlich galt die Fertigung in Deutschland als zu teuer, hinzu kamen Managementfehler.

Steiff habe sich zu sehr auf den lukrativen Sammlermarkt konzentriert, darüber habe man die eigentliche Zielgruppe, nämlich die Kinder, vernachlässigt, berichtet Geschäftsführer Martin Frechen. Die Folge: Steiff entließ Mitarbeiter und lagerte einen Teil der Produktion an chinesische Auftragshersteller aus.

Steiff wurde zu einem Beispiel für die gescheiterte Globalisierungsstrategie eines deutschen Mittelständlers. Im vergangenen Jahr kündigte die Firma an, die Produktion aus China zurückzuholen - und bekam viel Beifall. Steiff produziert künftig in Duisburg, dort wurde jetzt eigens die Weberei Schulte erworben.

Die Qualität war zu schelcht

Für manch einen war es ein willkommener Beleg dafür, dass die Verlagerung in der globalisierten Wirtschaftswelt keine Einbahnstraße in Billiglohnländer ist. Für Steiff-Geschäftsführer Frechen ist der Strategiewechsel notwendig, damit die Firma überhaupt überleben kann. "Wir sind der teuerste Hersteller, dafür erwarten unsere Käufer Perfektion", sagt Frechen der Süddeutschen Zeitung.

Mit der Qualität bei Teddy & Co hatte es seit dem Start der Fertigung in China nämlich sehr gehapert; viele Stofftiere sortierten die Kontrolleure gleich vor Ort aus. Das hat etwas mit den Produktionsbedingungen dort zu tun, auf welche die Schwaben ebenso wie andere Mittelständler schlecht vorbereitet waren.

Einen Teddybären setzen die Näherinnen aus 40 Teilen zusammen, die genau passen müssen. "Sitzt das Glasauge nur einen Millimeter schief, wird aus dem treuherzigen Blick des Bären schnell eine Fratze", meint Frechen. Schielende Stofftiere kann sich die Firma nicht leisten, anders als die Billigkonkurrenz, deren Kuscheltiere für wenige Euros verkauft werden.

Acht bis zwölf Monate Einarbeitungszeit brauchten die Arbeiter bei den chinesischen Lieferanten, um die Kuscheltiere zu nähen. Häufig wechselten sie jedoch nach kurzer Zeit ihren Job. Frechen berichtet, ein Textilbetrieb habe über Nacht einen Großteil seiner Näherinnen verloren, weil ein benachbarter Automobilzulieferer mehr zahlte.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum Steiff nicht komplett in Deutschland produzieren lässt.

Der heutige Geschäftsführer Frechen hatte Steiff einst verlassen, weil er gegen die Verlagerung nach China war. 2006 kam er zurück, als sich eine Kehrtwende abzeichnete. Ein Fünftel seiner Produktion hatte Steiff zwischenzeitlich nach China ausgelagert. Momentan produzieren die Schwaben dort nur noch Schlüsselanhänger.

Frechen geht davon aus, dass die Firma den Zeitplan einhält und die Produktion bis Ende des Jahres ganz zurückholen wird. Die Firma will künftig sogar ganz ohne Auftragsfirmen auskommen und die komplette Fertigungskette wieder in die eigenen Hände nehmen.

So sollen vor allem die Stoffe nur noch in Deutschland herstellt werden. Deshalb hat Steiff im Frühjahr die Weberei Schulte gekauft. Es ist die letzte Weberei in Duisburg. Früher war die Region zwischen Aachen, Duisburg und Krefeld eine Textilhochburg mit Hunderten Betrieben. Doch dann wurde die Produktion komplett in Billiglohnländer verlagert - die deutsche Textilindustrie starb.

Schulte hat als Zulieferer überlebt; schon für den ersten Plüschbären aus dem Hause Steiff im Jahre 1901 hatte die Weberei den Plüsch hergestellt. Überhaupt wäre ohne diesen Plüsch der Teddy kaum möglich gewesen. 45 Menschen arbeiten in dem verschachtelten Fabrikbau im Stadtteil Neudorf.

Kleine Drehbürsten erzeugen die Teddy-Frisuren

In der untersten Etage stehen 21 automatische Webstühle, welche vor allem Mohairwolle von der Angoraziege und Wolle von der Kamelart Alpaka, aber auch Baumwolle verweben. Anschließend werden die Stoffe gefärbt und mit speziellen Maschinen so bearbeitet, dass verschiedene Designs entstehen.

So erzeugen kleine Drehbürsten die Wirbel im Teddybärenfell; insgesamt gibt es etwa 20 verschiedene "Frisuren". Nach 30 Arbeitsschritten ist ein Plüschstoff fertig. Im Erdgeschoss läuft er dann Meter für Meter über ein Lichtfeld, wo Mitarbeiter die Qualität prüfen.

"Wir haben in der Nische überlebt", sagt der Prokurist Bernhard Wanning. Bis heute fertigt Steiff-Schulte auf Bestellung für verschiedene Hersteller von Kuscheltieren, liefert aber auch kleine Stoffmengen für Sammler. Einen Teil der Produktion verkauft Schulte zudem an Modemacher. Im Besprechungsraum zeigt Wanning eine Kollektion von Webpelzen, welche die Modefirma Prada aus dem Plüsch hergestellt hat.

Trotz aller Liebe zu deutscher Perfektion wird Steiff seine Kuscheltiere nicht komplett in Deutschland fertigen. Hier werden die Tiere zwar von einem Team im Stammwerk Giengen entworfen, hier werden die Stoffe hergestellt und zugeschnitten - doch genäht wird überwiegend in den beiden eigenen Werken in Tunesien und Portugal.

An diesem Prozess soll sich nichts ändern. "Wenn wir in Deutschland nähen würden, werden die Stofftiere nur teurer, nicht besser", erklärt Frechen. Die Qualitätskontrolle findet immer in Deutschland statt - dann bekommen die Tiere auch den typischen Steiffknopf ins Ohr.

© SZ vom 16.09.2009/afi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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