SZ: Warum haben Sie einen Leserbrief an die Financial Times geschrieben?
Iliana Magra: Das geschah ganz spontan, ich verarbeite meine Erlebnisse und Gedanken immer, indem ich sie aufschreibe. Nachdem ich quasi einen Brief an mich selbst verfasst hatte, dachte ich, dass es den Rest der Welt womöglich interessieren könnte, was eine junge Griechin gerade bewegt. Ich habe die Forum-Seite der Financial Times immer gern gelesen und einfach meinen Text gemailt. Dass ich nun plötzlich ausländischen Reportern Interviews geben muss, hatte ich nicht erwartet.
Was für Feedback haben Sie erhalten?
Aus dem Ausland bekomme ich eigentlich nur freundliche Nachrichten, viele sind schockiert, wie die Schuldenkrise uns junge Leute beschäftigt und wie hart sie uns trifft. Von Griechen höre ich nicht nur Zuspruch: Manche werfen mir vor, dass ich zur Spaltung der Gesellschaft beitrage. Manche Kommentare sind wirklich gemein und verletzend.
Sie haben unter anderem geschrieben: "Die letzten fünf Tage waren schlimmer als die letzten fünf Jahre". Was hat sich geändert?
Ich fühle mich völlig verloren und wahnsinnig enttäuscht, dass unsere Zukunft aufs Spiel gesetzt wird. Es macht mich fertig, nicht zu wissen, was der Tag nach dem Referendum bringt. Deswegen habe ich auch geschrieben: "Alles in meinem Leben ist zurzeit schwarz". Ich habe plötzlich all Hoffnung verloren, dass es mit Griechenland vorangehen kann - und viele meiner Freunde und in meiner Familie denken so.
Sie selbst studieren in Großbritannien. Ist Griechenland kein guter Ort mehr für junge Leute?
Es war sehr schwierig für mich, meine Familie zu verlassen. Ich sehe sie nun nur noch alle drei Monate für einige Tage. Aber viele Griechen in meinem Alter studieren im Ausland, weil sie dort mehr Chancen haben. Viele nehmen sich zwar vor, nach dem Studium zurückzukehren, doch wenn es in der Heimat keine Jobs gibt, dann bleiben sie in der Ferne.
Sind Sie ganz allgemein gegen eine Volksabstimmung?
Nein, aber sie kommt einfach viel zu kurzfristig. Ich glaube nicht, dass die Leute die Fragen wirklich verstehen und auch nicht abschätzen können, was ihre Stimme bedeutet. Und so interpretieren die Griechen die Abstimmung auch ganz unterschiedlich.
Welche Seite wird am Sonntag die Mehrheit bekommen - und wie werden Sie abstimmen?
Ich habe keine Ahnung, wer gewinnen wird. In den Umfragen ist es sehr knapp und ich glaube, dass viele Griechen ihre Meinung jeden Tag ändern. Ich bin gerade in London wegen meiner Abschlussfeier an der Uni, aber ich will am Wochenende nach Thessaloniki fliegen. Ich möchte meine "Ja"-Stimme unbedingt abgeben.