Süddeutsche Zeitung

Stewardessen:Als Flugbegleiterinnen noch "Düsenmädchen" waren

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Stewardessen sollten früher vor allem eines sein: hübsch und bitte nicht zu dick. In Deutschland sind diese Zeiten vorbei. In anderen Ländern lebt das Klischee weiter.

Von Sophie Burfeind

Sexy und servil sollten sie sein, die "Düsenmädchen", während sie Journale verteilten und Ansagen über das Festzurren der Sitzgurte machten. Ihr Haar, zum Mozart-Zopf geflochten oder im "George-Washington-Stil" in den Nacken gebunden, durfte ihnen dabei nicht ins Gesicht fallen, genauso wenig durften sie heiraten, schwanger werden, ein Kilo zunehmen oder vergessen, "Geschirr" (einen BH) zu tragen. Mit 32 oder spätestens 40 mussten sie aus dem Dienst scheiden, regelmäßige Gewichtskontrollen stellten sicher, dass die Frauen bis dahin in Form blieben. So wird der Beruf der Stewardess in einem Spiegel-Artikel aus dem Jahr 1972 beschrieben.

Mit der Emanzipierung der Frau verschwanden die Düsenmädchen und Stewardessen wurden zu Flugbegleiterinnen. Zumindest in Deutschland. Anderswo ist die Düsenmädchen-Epoche noch nicht vorbei, das konnte man gerade in Russland beobachten. Dort musste die russische Fluggesellschaft Aeroflot nun ihre Schlankheitsregeln zurücknehmen, die sie Anfang des Jahres erlassen hatte. Diese besagten, dass nur noch Flugbegleiterinnen mit einer Konfektionsgröße von maximal 42 in die Lüfte steigen durften, alle anderen wurden auf schlechter bezahlte Inlandsflüge oder gleich in den Bodendienst verbannt.

Die schlechtere Bezahlung sollte Anreize zum Abnehmen schaffen. Gegen diese Regelung hatte eine Stewardess geklagt und vor einem Moskauer Gericht Recht bekommen. Die Einführung der Schlankheitsregeln hatte ein Aeroflot-Vertreter so begründet: "Aeroflot ist eine Premium-Airline, und unsere Fluggäste zahlen auch für gutes Aussehen unserer Mitarbeiter."

Damit eine Airline eine Premium-Airline werden kann, das suggeriert dieser Vorfall, kommt es also nicht auf Dinge wie Pünktlichkeit oder Sicherheit an, sondern auf die Schönheit der Stewardessen. Fluggesellschaften wissen dieses Qualitätsmerkmal gut zu vermarkten: Die Billig-Fluglinie Ryanair etwa bringt seit einigen Jahren einen Kalender heraus, in dem sich ihre schönsten Flugbegleiterinnen in knappen Bikinis räkeln. Auch die nordkoreanische Staatsairline Air Koryo, die als die schlechteste der Welt gilt, legte Anfang des Jahres mit einem solchem Katalog nach - die Bilder fielen allerdings züchtiger aus.

Am stolzesten aber ist man auf die Schönheit der eigenen Flugbegleiterinnen wohl bei Singapore Airlines, wo außergewöhnliche Stewardessen-Schönheit Tradition hat. "Singapore Girls" heißen die Flugbegleiterinnen dort seit den Siebzigerjahren. Singapore Girls sind schlank und grazil, tragen an Bord zierliche Pantöffelchen und bewegen sich über den Wolken trippelnd und dauerhaft lächelnd. Konversation zu halten, lernen sie während ihrer Ausbildung auf "Tea Partys". Wenn sie auf wichtige Reisende treffen, gehen sie in die Hocke, um die Bestellung aufzunehmen.

Der Beruf der Flugbegleiterin gehört zu den klischeebehaftesten Berufen überhaupt und während die Klischees in manchen Maschinen weiter Tomatensaft ausschenken, gehören sie in Deutschland - wie auch den meisten Ländern Europas der Vergangenheit an. Es gibt keine genauen Vorgaben mehr, wie Flugbegleiter auszusehen haben oder wie alt sie sein dürfen. "Seit den Achtzigerjahren hat sich das in Deutschland sehr verändert", sagt Nicoley Baublies, Chef der Gewerkschaft Ufo. Das liege am gesellschaftlichen Wandel. Auch die Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und die Diskussionen darüber habe viel dazu beigetragen. Dass sich Bewerber wegen ihres Aussehens diskriminiert fühlten, höre die Gewerkschaft jedenfalls fast nie, sagt er.

Die körperlichen Vorgaben von Lufthansa oder Ryanair zum Beispiel klingen auch nicht sonderlich streng: Vorgegeben sind Dinge wie die Größe, um nicht zu groß oder zu klein für die Kabine zu sein oder die Sehfähigkeit. Bei Lufthansa ist zudem "ein gepflegtes" Äußeres erwünscht. Früher hieß das noch "attraktives Äußeres", sagt Baublies. Das Gewicht soll "angemessen" sein. Einige Fluggesellschaften, darunter auch die Lufthansa, verbieten außerdem sichtbare Tattoos und Piercings. Dass trotzdem hin und wieder Bewerber wegen ihres Aussehens nicht genommen werden, will Baublies nicht ausschließen: "Ich würde ein gutes Fläschchen darauf verwetten, dass Absagen verteilt werden, weil dem Arbeitgeber jemand nicht gefällt. Dafür finden sich ja andere Vorwände."

Auch für Stewards gibt es zum Teil strenge Vorschriften

Dass Fluglinien - und viele andere Unternehmen - versuchen, Bewerber nicht wegen ihres Äußeren zu benachteiligen, liegt aber weniger am Antidiskriminierungsgesetz an sich, als an der Sensibilität, die das Thema Diskriminierung ausgelöst hat. Das AGG schützt Menschen nämlich vor Benachteiligung, wenn es um Alter, Geschlecht, Herkunft, Religion, Behinderung und sexuelle Identität geht - aber nicht, wenn es um optische Gründe geht. "Das hat der Gesetzgeber leider nicht als geschütztes Merkmal aufgenommen", sagt ein Sprecher der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Auch wenn man vermutlich noch lange auf Airline-Kalender mit Düsenjungs warten muss, gibt es zumindest Fluggesellschaften, die ihren männlichen Flugbegleitern ebenso rigorose Vorschriften machen wie den Frauen. American Airlines etwa schreibt vor, dass "sichtbare Haare in der Nase, im Ohr oder an den Unterarmen geschnitten oder anderweitig entfernt werden müssen" und United Airlines ist Bartträgern gegenüber besonders streng und verlangt, dass ein "Schnauzer nicht mehr als 6,3 Zentimeter von beiden Seiten des Mundes abstehen darf".

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Quelle:
SZ vom 09.09.2017
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