Steuervermeidung:Was EU-Staaten entgeht

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Steuertricks kosten die EU-Staaten jährlich etwa 173 Milliarden Euro. Zu dem Ergebnis kommen Forscher, die ihre Studie bald dem Panama-Papers-Ausschuss vorlegen wollen.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Die in den Panama Papers aufgedeckten Steuerpraktiken kommen die EU-Staaten teuer zu stehen. In den der Süddeutschen Zeitung zugespielten vertraulichen Dokumente wurde das Finanzgebaren unter anderem zahlreicher Politiker offengelegt. Allein im Jahr 2015 entgingen den nationalen Haushalten der Mitgliedsländer etwa 173 Milliarden Euro an Steuereinnahmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die an diesem Donnerstag im Panama-Papers-Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments vorgestellt werden soll. Die Autoren untersuchten im Auftrag der Abgeordneten die Auswirkungen von Steueroasen und Offshore-Zentren auf die Haushaltseinnahmen in der Europäischen Union. Ihr Fazit: Mit dem verloren gegangenen Geld hätten die EU-Staaten gut 1,5 Millionen Arbeitsplätze schaffen können.

Für ihre Analyse führten die Autoren Umfragen in acht EU-Staaten durch, darunter Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien. Ihre Zahlen beruhen auf Schätzungen, da die meisten nationalen Behörden keine aussagekräftigen Daten zu den erwarteten Steuerausfällen bieten konnten. Nach Recherchen der Autoren ergibt sich ein geschätzter Einnahmenverlust von etwa 19 Milliarden Euro in diesen acht EU-Staaten. Die Autoren rechneten diese Summe auf die gesamte EU hoch und kamen so auf eine Spannweite zwischen 109 und 237 Milliarden Euro. Der Mittelwert liegt demnach bei etwa 173 Milliarden Euro an Steuereinnahmen-Verlusten im untersuchten Jahr 2015.

Eine schwarze Liste von Steueroasen soll es geben - aber warum nicht auch eine graue?

Um zu veranschaulichen, was die Staaten mit diesem Geld hätten tun können, machten die Autoren folgende Rechnung auf: Die Schaffung eines Arbeitsplatzes in der EU kostet etwa 50 000 Euro. Man könnte demnach davon ausgehen, dass insgesamt 3,5 Millionen neue Jobs hätten geschaffen werden können. Diese Annahme sei "natürlich mit Vorsicht zu betrachten". Denn selbstverständlich werden nicht alle Steuereinnahmen in den Arbeitsmarkt investiert, sondern auch zum Abbau von Schulden verwendet. "Eine konservative Schätzung wäre deshalb, dass circa 1,5 Millionen Arbeitsplätze hätten geschaffen werden können, falls das Geld, das durch die Panama-Papier-Praktiken verloren gegangen ist, dem Staat zur Verfügung gestanden hätte." Um die Steuervermeidungstricks zu bekämpfen, schlagen die Autoren mehrere Maßnahmen vor. Die EU-Staaten sollten Register erstellen, welche die Namen wirtschaftlicher Eigentümer veröffentlichen. Whistleblower sollten besser geschützt werden und die Geldwäsche-Richtlinie verschärft werden. Wichtig ist den Autoren zufolge auch, dass die Definition einer Steueroase "politisch neutral" ist: "Die Idee, dass nur nicht-kooperative Rechtssysteme als Steueroasen gelten, missachtet, dass manche Staaten zwar scheinbar kooperieren, aber dennoch weiterhin als Steueroasen fungieren." Im Interesse einer "politischen Neutralität" wäre es deshalb hilfreich, eine graue oder schwarze Liste mit differenzierten Kriterien einzuführen.

© SZ vom 26.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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