Steuertricks:Warum die deutsche Version der Meldepflicht für Steuerberater in der Kritik steht

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Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Der Staat soll schneller erfahren, welche Schlupflöcher Konzerne und Superreiche ausnutzen. Doch das neue Gesetz geht manchen nicht weit genug.

Von Bastian Brinkmann und Cerstin Gammelin, München/Berlin

Das Verhältnis zwischen Finanzämtern und den Erfindern von Steuertricks ist wie das zwischen Fahrrad und Sportwagen: Der Staat ist stets zu langsam, die Beamten kommen immer erst, wenn die Konzerne und Superreichen schon Millionen durch eine Lücke im Steuerrecht verschoben haben. Doch jetzt rüstet der Staat auf - und bekommt einen Peilsender, damit er direkt erfährt, was die Steuertrickser machen. Berater müssen künftig melden, wenn sie ein grenzüberschreitendes Steuervermeidungsmodell aufsetzen. Die Verwaltung erfährt dann schneller, welcher Winkel im Steuerrecht nun schon wieder ausgenutzt wird. Die Meldepflicht betrifft auch die vier großen Wirtschaftsprüfer PwC, Deloitte, KMPG und EY, die sogenannten "Big Four". Sie verdienen viel Geld mit Steuerberatung.

Die EU-Länder haben diese Meldepflicht beschlossen, Deutschland muss die entsprechende Richtlinie noch in nationales Recht umsetzen. Das Bundesfinanzministerium hat vor Kurzem einen Gesetzesentwurf vorgelegt - und der sorgt in Brüssel nun für Ärger. Denn das Ministerium schlägt ein Bußgeld von 25 000 Euro vor, wenn ein Berater ein Steuervermeidungsmodell nicht meldet.

Kritiker halten das für viel zu niedrig. "25 000 Euro sind für KPMG, EY & Co. ein Betrag aus der Portokasse und weder abschreckend noch wirksam", schimpft Sven Giegold, der Sprecher der Grünen-Abgeordneten im Europaparlament. "Die Meldepflicht von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen ist ein großer Erfolg der EU gegen Steuertricks, doch die deutsche Umsetzung droht diesen Erfolg Europas zu beschädigen", sagt Giegold. Er fordert, die Bußgeldregeln deutlich zu verschärfen. "Sonst werde ich alles tun, damit die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet."

Ein Rechtsgutachten des Max-Planck-Instituts für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen - erstellt im Auftrag des Bundesfinanzministeriums - hatte davor gewarnt, dass ohne den richtigen Bußgeldrahmen die Beraterfirmen die Anzeigepflicht ignorieren "und das Bußgeld bewusst in der Hoffnung in Kauf nehmen", das entwickelte Steuervermeidungsmodell noch länger verkaufen zu können. Denn die finanziellen Vorteile des Rechtsbruchs könnten das Bußgeld gegebenenfalls deutlich übersteigen.

Die Summe könne nicht höher sein, heißt es dagegen aus Berlin. Die Verantwortlichen verweisen auf das sogenannte Abstandsgebot. Demzufolge ist in der Abgabenordnung festgelegt, dass "bewusste Steuerverkürzung", also Steuerhinterziehung, mit 50 000 Euro Strafe belegt wird. Wer nur vergesse zu melden, dass er Steuersparmodelle anwende, müsse verhältnismäßig bestraft werden. Dies sei mit 25 000 Euro Strafe gewährleistet.

Beide Seiten berufen sich auf die im Mai 2018 beschlossene EU-Richtlinie. Sie verlangt, dass die Sanktionen "wirksam, verhältnismäßig und abschreckend" müssen, also sowohl angemessen als auch einschüchternd. Zeit, sie umzusetzen, bleibt Deutschland noch bis Ende des Jahres. Von Mitte 2020 an soll das Gesetz dann angewendet werden. Die Staaten werden die gemeldeten Fälle automatisch untereinander austauschen, damit Gesetzeslücken geschlossen werden können.

Die EU-Richtlinie betrifft nur grenzüberschreitende Steuerkonstrukte. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will, dass auch für innerdeutsche Modelle die Anzeigepflicht kommt. Er hat diesen Punkt auch auf die Agenda des nächsten Treffens mit den Länderfinanzministern gesetzt, das Mitte März stattfindet. Wenngleich einige Länderminister nicht begeistert sind, tragen sie die Idee doch mit.

Das Ministerium rechnet mit einer Anzahl von Meldungen "im mindestens mittleren fünfstelligen Bereich", heißt es im Gesetzentwurf. Die Meldungen sollen vor allem im Bundeszentralamt für Steuern geprüft werden. Dort werden Spezialisten prüfen, ob eine komplizierte Firmenkonstruktion tatsächlich betriebliche Gründe hat, oder ob Steuervermeidung ein Hauptzweck des Modells ist. Es wird viel Arbeit für die Juristen, Mathematiker und Volkswirte.

© SZ vom 01.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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