Steuertricks:Land für Land

Das EU-Parlament will Steuertricks der Konzerne erschweren. Ziel ist es, Transparenz zu schaffen und die Verschiebung von Gewinnen zu verhindern. Doch Gegner befürchten das Ende des Steuergeheimnisses.

Von Björn Finke, Brüssel

Das Europaparlament hat gesprochen, nun liegt es an den Mitgliedstaaten - vor allem an der Bundesregierung: Die EU-Abgeordneten verabschiedeten am Donnerstag in Straßburg mit großer Mehrheit die Forderung, endlich mit einem Gesetz gegen Steuertricks der Konzerne voranzukommen. Die EU-Kommission legte bereits vor drei Jahren Vorschläge vor, ein Jahr später wurden sie vom Parlament gebilligt. Jetzt muss der Ministerrat, die Vertretung der Mitgliedstaaten, mit dem Europaparlament in Verhandlungen eintreten und den Rechtsakt ebenfalls gutheißen. Doch die Regierungen der Länder können sich bisher nicht darauf einigen, dieses Verfahren zu beginnen. Das Gesetz liegt auf Eis.

An diesem Freitag besprechen Vertreter der Staaten die Vorschläge erneut in Brüssel. Das letzte Treffen der Arbeitsgruppe im Januar gab unter anderem deshalb kein grünes Licht, weil die Bundesregierung nicht zustimmen wollte; die Sache solle erst umfassend geprüft werden, hieß es. Der Richtlinien-Entwurf der Kommission sieht vor, dass Großunternehmen öffentlich darüber berichten müssen, wie viel Gewinn sie in welchen Ländern ausweisen und wie hoch ihre Steuerlast ist. Bislang erhält nur der Fiskus solche Informationen.

"Das Verschieben von Gewinnen quer durch die EU muss öffentlich nachvollziehbar sein."

Könnte jeder Bürger, Journalist oder jede Kampagne gegen Steuertricks die Daten im Internet einsehen, würden jene Konzerne unter Druck geraten, die besonders findig ihre Gewinne in Länder mit niedrigen Steuersätzen verlagern. Unternehmen wie Apple, Amazon, Ikea oder Starbucks stehen in der Kritik, weil sie einen großen Teil ihrer europäischen Profite nicht da verbucht haben, wo sie den meisten Umsatz erzielen, sondern lieber in Staaten mit günstigen Sätzen, etwa Luxemburg oder Irland.

Sven Giegold, der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, sagt, mehr Steuertransparenz, wie sie das vorgeschlagene Gesetz schaffe, sei "eines der besten Mittel gegen Steuervermeidung multinationaler Konzerne. Das Verschieben von Gewinnen quer durch die EU muss öffentlich nachvollziehbar sein." Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber klagt, allein durch Tricksereien bei der Mehrwertsteuer entginge den Mitgliedstaaten jedes Jahr ein dreistelliger Milliardenbetrag: "Es ist nicht zu vermitteln, dass die EU-Finanzminister Schlupflöcher in dieser Größenordnung nicht schließen."

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) stand dem Vorschlag zunächst skeptisch gegenüber, sprach sich aber im vergangenen Monat für dieses öffentliche country-by-country reporting aus - so lautet der Fachbegriff. Anders als der CSU-Europaabgeordnete Ferber lehnen jedoch die Unionspolitiker in Berlin den Gesetzesvorschlag ab, obwohl der Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU einen härteren Kampf gegen Steuervermeidung ankündigt. Scholz muss Deutschlands Position mit CDU-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier absprechen. Stimmt Altmaier nicht zu, kann die Bundesregierung ihre Blockade beim Treffen in Brüssel an diesem Freitag nicht aufgeben. Die Gespräche darüber dauerten am Donnerstag noch an.

Gegner solcher Transparenzregeln befürchten, dass das Steuergeheimnis ausgehöhlt werde und Unternehmen fälschlicherweise am Pranger stünden, wenn die veröffentlichten Daten zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen einladen. So sagt Rainer Kirchdörfer, Vorstandsmitglied der Stiftung Familienunternehmen, es sei gut, wenn Steuerbehörden Geschäftsdaten von Firmen vertraulich austauschten: "Die Daten allerdings frei verfügbar ins Internet zu stellen, wäre kontraproduktiv. Die Allgemeinheit kann schwerlich beurteilen, ob Gewinn und Steuern angemessen sind."Die Stiftung vertritt die Interessen familiengeführter Konzerne.

Dass die Mitgliedstaaten das Gesetzgebungsverfahren bislang blockieren, liegt auch an Streit über Abstimmungsregeln. Bei Steuergesetzen gilt Einstimmigkeit, so dass eine einzelne Regierung, etwa von Luxemburg, neue Brüsseler Regeln verhindern kann. Die EU-Kommission argumentiert aber, dass der Vorschlag zur transparenten Berichterstattung nicht Steuerrecht, sondern Unternehmensrecht berühre. In diesem Bereich kann der Ministerrat Mehrheitsentscheidungen treffen. Einige Regierungen widersprechen dieser Auffassung und willigen deshalb nicht ein, mit dem Europaparlament Verhandlungen über die Richtlinie zu beginnen.

Sowohl Grünen-Abgeordneter Giegold als auch CSU-Mann Ferber verlangen ein Ende des Prinzips der Einstimmigkeit, damit die EU bei Steuergesetzen schneller vorankomme. Mehrheitsentscheidungen könnten den Weg zu einem "faireren Steuerwettbewerb" ebnen, sagt Ferber. Vielleicht geht es ja schon beim Treffen der Ländervertreter an diesem Freitag voran. Ein wenig zumindest.

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