Süddeutsche Zeitung

Gesetzesinitiative:Steuertricks entdecken leicht gemacht

Das Land Hessen dringt auf eine Änderung im Börsengesetz: Künftig sollen Finanzämter leichter auf Daten der Börsenaufsicht zugreifen können. Das bleibt ihnen bislang oft verwehrt - mit bitteren Folgen.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Die Betriebsprüfer im Rhein-Main-Gebiet bekommen es häufig mit den ganz schwierigen Fällen zu tun. Sie untersuchen die Bücher von großen und kleinen Banken, sie durchleuchten Fondsfirmen und Finanzinvestoren, die auf komplexe Geschäfte spezialisiert sind. Alles Unternehmen, bei denen es schnell sehr schwierig wird herauszufinden, ob sie steuerlich alles korrekt abgerechnet haben.

Gerade bei Steuertricks an der Börse ist der Fiskus oft auf Handelsdaten angewiesen, um einen Fall richtig einschätzen zu können. Ausgerechnet diese Daten fehlen den Beamten aber oft, die Börsenaufsicht ist für die Finanzämter wie eine Blackbox. Damit sie ihre Informationen mit den Steuerbehörden teilen darf, muss laut Gesetz ein "zwingendes öffentliches Interesse" daran bestehen und bereits der Verdacht einer "Steuerstraftat" vorliegen.

Das hessische Wirtschaftsministerium hält diese hohen Hürden für überholt und will deshalb jetzt das Börsengesetz per Bundesratsinitiative an einer entscheidenden Stelle ändern. Laut Paragraf 10 dürfen nämlich bislang weder die Börsen selbst noch die bei den Landesregierungen angesiedelten Aufsichtsbehörden einfach Informationen mit den Finanzämtern teilen. In der Vergangenheit hätten die Börsenbetreiber häufig die Herausgabe von Daten unter Verweis auf ihre Verschwiegenheitspflichten verweigert, heißt es in dem hessischen Entwurf.

Im Fall der Cum-Ex-Affäre um Aktiengeschäfte zulasten der Staatskasse etwa seien die strengen Voraussetzungen im Börsengesetz hinderlich gewesen, argumentiert das von den Grünen unter Tarek Al-Wazir geführte Wirtschaftsministerium in der Begründung des Gesetzesantrags. Manipulationen im Zusammenhang mit dem Börsenhandel zwecks Steuerverkürzung erschütterten demnach generell das Vertrauen in den deutschen Finanzmarkt. Deshalb müsse der Informationsaustausch mit den Finanzbehörden gestärkt werden. Die Börsen und ihre Aufseher sollen dabei auch durch die Anfragen von den Finanzämtern lernen, steuergetriebene Geschäfte früher zu erkennen. "Momentan machen wir uns unnötigerweise das Leben schwer", sagt Philipp Nimmermann, Staatssekretär im Wiesbadener Wirtschaftsministerium. "Gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen in der Cum-Ex-Affäre ist es wichtig, hier für mehr Transparenz zu sorgen."

Für Abfragen bei der Bafin sind die Hürden schon jetzt deutlich niedriger

Nimmermann, der bis 2019 bereits Staatssekretär im Kieler Finanzministerium war, weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig Wertpapiergeschäfte bei Steuersparmodellen von Unternehmen sind. Bei den Handelsüberwachsungsstellen der Börsen in Frankfurt, Stuttgart oder München liegen aus Sicht von Betriebsprüfern und Steuerfahndern also wertvolle Daten, von denen sie in vielen Fällen aber nichts wissen - oder eben nichts wissen dürfen. Merkwürdig: Von anderen Aufsichtsbehörden wie der Bafin dürfen die Finanzämter schon seit dem Jahr 2015 schneller Daten abfragen. Damals wurden sowohl das Kreditwesengesetz als auch das Wertpapierhandelsgesetz entsprechend geändert. Das Kriterium, wonach dazu ein "zwingendes öffentliches Interesse" bestehen musste, fiel damals weg.

Im Börsengesetz aber blieb es bestehen. Jetzt soll es verschwinden - und das zweite Kriterium "Steuerstraftat" nach dem Wunsch der hessischen Landesregierung gleich mit. Wie die Cum-Ex-Sachverhalte und die entsprechenden Steuerverfahren zeigten, "ist die Schwelle der Steuerstraftat deutlich zu hoch angesiedelt", heißt es in dem Antrag für den Bundesrat. Hat die Initiative der schwarz-grünen Koalition dort Erfolg, wäre die Bundesregierung am Zug: Das Börsengesetz ist Bundesrecht. Für eine Gesetzesänderung noch in dieser Legislaturperiode ist die Zeit jedoch denkbar knapp.

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