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Steuerskandal:Staatsanwaltschaft macht Druck bei Cum-Ex-Ermittlungen

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Von Klaus Ott, München

Die BNP Paribas aus Frankreich hat schon einen Termin, zahlreiche andere Banken sind ebenfalls schon vorgemerkt oder werden noch geladen. Die Staatsanwaltschaft Köln treibt ihre Ermittlungen im größten deutschen Steuerskandal voran und will bis zum Jahresende von vielen Geldinstituten aus dem In- und Ausland wissen, ob sie mit den Behörden kooperieren. Und ob sie bereit sind, für dubiose Aktiendeals zu haften und teils hohe Millionenbeträge zu zahlen. Oder ob es auf langwierige Prozesse hinausläuft.

Mit den Bankengesprächen im November und Dezember wollen die Kölner Strafverfolger verhindern, dass Ansprüche verjähren. Und sie wollen möglichst viel von dem Geld zurückholen, das dem Staat mutmaßlich gestohlen wurde. Es geht um den Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende. Bei solchen Geschäften haben sich, so der Verdacht, zahlreiche Geldinstitute und Börsenhändler eine einmal an den Fiskus gezahlte Kapitalertragsteuer auf Dividendenerlöse mehrmals erstatten lassen; oder dabei geholfen. Der Staat wurde nach Schätzungen von Steuerfahndern auf diese Weise um mehr als zehn Milliarden Euro geschädigt. Die Aktiendeals gelten als der bislang dreisteste Steuerraubzug in der Bundesrepublik.

Staatsanwaltschaften in Köln, Frankfurt und anderen Städten ermitteln seit mehreren Jahren. Jetzt beginnt die entscheidende Phase, in der sich zeigen muss, wer auf die Anklagebank kommen und wer wie viel Geld zurückzahlen soll. Die Bundesregierung hat dem Bundestag kürzlich mitgeteilt, ihr seien 259 Cum-Ex-Fälle bekannt, die von den Behörden untersucht würden. Davon sind nur 23 rechtskräftig abgeschlossen, jeweils zugunsten des Fiskus. Allein diese 23 Verfahren, das ist weniger als ein Zehntel der untersuchten Fälle, haben laut Bundesregierung 436 Millionen Euro gebracht. Das geht aus einer Antwort des Finanzministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen hervor.

Gesetzeslücke wurde 2012 geschlossen

Längst nicht alle Cum-Ex-Fälle sind bislang entdeckt. Und bei den vielen zwar schon anhängigen, aber noch offenen Verfahren drängt die Zeit. Nach Erkenntnissen der Ermittler machten zahlreiche Banken und Börsenhändler ab Mitte vergangenen Jahrzehnts in großem Stil Cum-Ex-Aktiendeals zu Lasten des Fiskus. Das lief bis 2012. Erst dann schloss die Regierung eine Gesetzeslücke, die solche Geschäfte handelstechnisch ermöglicht hatte. Legal sollen diese Deals aber nicht gewesen sein. So sehen das die Ermittler, die dem Verdacht von Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen nachgehen.

Schwere Steuerdelikte verjähren in der Regel nach etwas mehr als einem Jahrzehnt. In einem Fall ist das nach Angaben der Bundesregierung bereits geschehen. Um zu verhindern, dass weitere Ansprüche verloren gehen, macht die Kölner Staatsanwaltschaft nun Druck. Bei den Strafverfolgern in der Domstadt und weiteren Behörden in Nordrhein-Westfalen sind die bundesweit umfangreichsten Verfahren anhängig, die viele Banken aus Deutschland, Europa und den USA betreffen. Darunter namhafte Institute wie Morgan Stanley und JP Morgan aus den USA, HSBC aus Großbritannien und auch die französische Großbank BNP Paribas. Nach Angaben aus Finanzkreisen hat BNP Paribas im November einen Termin bei der Staatsanwaltschaft Köln. Die BNP äußert sich dazu nicht. Auch andere Institute wie Caceis, ein Münchner Ableger der französischen Großbank Crédit Agricole, und die UBS aus der Schweiz ziehen es vor, zu schweigen. Die Staatsanwaltschaft selbst mag, weil die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, die jetzt anstehenden Bankengespräche nicht kommentieren.

Ein Institut, die Deutsche Bank, hat den Kölner Strafverfolgern bereits umfangreiches Material geliefert. Zudem hat die Deutsche Bank von ihr einst ausgestellte Bescheinigungen zurückgezogen, die sich als falsch erwiesen haben. Mit solchen Bescheinigungen über angeblich an den Fiskus gezahlte, tatsächlich aber gar nicht abgeführte Kapitalertragsteuern hatten Cum-Ex-Akteure den Fiskus ausgenommen. Ob die Deutsche Bank dafür haften muss, wird in einem anderen Verfahren in Frankfurt geklärt. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt nicht wegen der Deutschen Bank; benötigt aber deren Unterlagen, um gegen andere Institute vorzugehen. Gegen Institute, die unter Verdacht stehen, selbst Cum-Ex-Deals zu Lasten des Fiskus gemacht oder dabei geholfen und mitkassiert zu haben. Und die nun dafür gerade stehen sollen.

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SZ vom 02.11.2017
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