Süddeutsche Zeitung

Nach Steuerschätzung:Dem Bund entgehen 70,6 Milliarden Euro

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Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die schlechte Konjunktur zwingt die Bundesregierung, ihre aktuellen Haushaltspläne zu überarbeiten. Weil die Wirtschaft kaum noch wächst, steigen auch die Steuereinnahmen deutlich weniger an als erwartet. Allein im Bundeshaushalt fehlen bis 2023 voraussichtlich 10,5 Milliarden Euro. Das geht aus der aktuellen Steuerschätzung hervor, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag in Berlin präsentierte.

Die Haushaltslücke fällt deutlich größer aus, legt man die vorherige Steuerschätzung vom November 2018 zugrunde. Demnach fehlen dem Bund in den kommenden Jahren sogar 70,6 Milliarden Euro. Rechnet man Länder und Gemeinden noch dazu, summieren sich die erwarteten Steuerausfälle auf 124,3 Milliarden Euro über fünf Jahre. Die Hauptursache davon ist die rückläufige Konjunktur. Im Herbst vergangenen Jahres ging die Bundesregierung noch von 1,8 Prozent Wirtschaftswachstum aus, inzwischen liegt die Prognose für dieses Jahr nur noch bei 0,5 Prozent. Entsprechend nimmt der Staat dann auch weniger Steuern ein. Scholz bemühte sich um Zuversicht. "Wir haben eine überschaubare Aufgabe vor uns, mit der wir zurechtkommen, wenn alle zusammenarbeiten", sagte der Bundesfinanzminister.

Scholz hatte die wirtschaftliche Entwicklung bereits Anfang des Jahres teilweise in seiner Haushalts- und Finanzplanung bis 2023 berücksichtigt. Die aktuelle Schätzung fällt allerdings noch einmal deutlich schlechter aus, so dass er die Pläne erneut anpassen muss.

Im kommenden Jahr werden Scholz 1,6 Milliarden Euro fehlen, in den beiden Jahren danach jeweils zwischen zwei und gut drei Milliarden Euro. Scholz will dennoch an der schwarzen Null festhalten, also keine zusätzlichen Schulden machen. "Jetzt wird sich zeigen, ob es nur Sprüche waren oder ob wir es ernst gemeint haben", sagte Scholz in Berlin. Er hat die Bundesministerien aufgefordert, Sparpläne vorzulegen.

Aufs Sparen ist die von jahrelang ungewöhnlich hohen Steuereinnahmen verwöhnte Koalition allerdings nicht vorbereitet. CDU, CSU und SPD hatten im März 2018 vor allem deshalb ein gemeinsames Regierungsprogramm aufstellen können, weil sie mit den riesigen Überschüssen im Bundeshalt ihre eigenen Projekte finanzieren konnten. Jetzt wird das Geld knapp. Das sorgt für neues Misstrauen und Streit.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) fordert eine Generalrevision des Haushaltes. Sein Stellvertreter Andreas Jung betonte am Donnerstag, die Union stehe für "Null Toleranz für neue Schulden und null Spielraum für ein Anziehen der Steuerschraube." Er sprach von einer unverrückbaren schwarzen "Doppel-Null". Zuvor hatte der Chefhaushälter der Union im Bundestag, Eckhardt Rehberg (CDU), Forderungen nach zusätzlichen Steuersenkungen eine Absage erteilt, dafür sei kein finanzieller Spielraum mehr vorhanden, sagte er. Bislang hatte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer die vollständige Abschaffung des Soli gefordert.

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