Süddeutsche Zeitung

Steuerschätzung 2014:Staat rechnet mit Rekordeinnahmen von 640 Milliarden Euro

Jetzt kommen wieder die Rufe nach Steuersenkungen: Die offiziellen Steuerschätzer von Wolfgang Schäuble stellen für 2014 einen Rekord in Aussicht. Aber nur auf den ersten Blick.

Von Bastian Brinkmann

Es sind gute Nachrichten: Die Steuereinnahmen werden weiter steigen. Das prognostiziert der Arbeitskreis Steuerschätzungen des Finanzministeriums. In dem Kreis sitzen Wirtschaftsexperten und kalkulieren, mit wie viel Geld der Staat 2014 haushalten kann.

2013 waren es rund 636 Milliarden Euro. Nun werden es wohl rund 639,9 Milliarden Euro, sagen Wolfgang Schäubles Schätzer. Für die Zukunft rechnen Bund, Länder und Kommunen mit weiteren, erheblichen Steigerungen. Die Schätzer sagen für 2018 Einnahmen in Höhe von 738,5 Milliarden Euro voraus.

Grund ist die gute Konjunktur: Viele Menschen arbeiten und zahlen Lohnsteuer, die Firmen machen Gewinne. Die Bürger geben ordentlich Geld aus und zahlen entsprechend Mehrwertsteuer.

So viel Geld hatte der Staat auf den ersten Blick noch nie zur Verfügung. Sollte er nun einen Teil davon an die Bürger zurückgeben? Die große Koalition streitet schon darüber, ob sie die kalte Progression abschaffen soll. Das wäre eine kleine Steuersenkung für die Mittelschicht (mehr dazu hier). Im Wahlkampf hatte die SPD noch höhere Steuern für Reiche gefordert, um Entlastungen für Normalverdiener zu finanzieren - doch davon will Parteichef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel jetzt nichts mehr wissen.

Dabei sind die Staatseinnahmen gar nicht so üppig, wie es auf den ersten Blick scheint. Inflationsbereinigt steigen die Einnahmen 2014 nach jetzigen Stand gar nicht, die Steigerungsrate von 636 Milliarden auf 639,9 Milliarden Euro liegt unterhalb der Inflation. Weil die Preise also schneller steigen als die Steuereinnahmen, kann sich die öffentliche Hand weniger leisten als zuvor.

Zudem müssen die Bürger nicht so viel abdrücken wie vor einigen Jahren. Das zeigt sich, wenn man die Steuereinnahmen ins Verhältnis setzt zu dem, was Menschen und Firmen verdienen - dem sogenannten Nettonationaleinkommen (mehr dazu hier beim Forschungsinstitut DIW - als PDF).

Aus der Grafik wird ersichtlich: Die relative Abgabenlast ist in Deutschland deutlich geringer als im Jahr 2000. Damals lag das Aufkommen aus Steuern und Abgaben bei mehr als 55 Prozent im Verhältnis zum Nettonationaleinkommen. Seitdem wurden viele Steuern gesenkt.

Der obere Chart enthält die Steuerlast inklusive der Zahlungen für die Sozialkassen, also für Krankenversicherung, Rente, Pflege und Arbeitslosenversicherung.

Ohne die Sozialabgaben, also nur unter Berücksichtigung von Steuern, sieht die Kurve so aus:

Der Staat hat also gar nicht so viele Einnahmen wie die Rekordmeldungen glauben machen. Dabei könnte er sie eigentlich gut gebrauchen: Die Investitionsquote des deutschen Staats liegt weit unter dem Durchschnitt anderer Industrieländer.

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