Steuerpolitik:Ehegattensplitting passt nicht mehr in unsere Gesellschaft

Lebensqualität von Kindern in Deutschland

Ehegattensplitting oder Familiensplitting? Aufnahme einer Familie bei Westerhever (Schleswig-Holstein) aus dem Jahr 2013

(Foto: dpa)

Die SPD will das Ehegattensplitting zu einem Familiensplitting umbauen. Dafür gibt es viele gute Argumente - dennoch ist der Plan zum Scheitern verurteilt.

Kommentar von Guido Bohsem

Den letzten großen Versuch, das Ehegattensplitting abzuschaffen, hat die SPD vor zweieinhalb Jahren gestartet. Er war einer der Gründe, weshalb Rot-Grün bei der Bundestagswahl so schlecht abgeschnitten hat. Da bei Grünen und SPD überhaupt viel von Steuererhöhungen die Rede war, ignorierten die Bürger die Argumente und entschieden sich gegen das Bündnis.

Dass die SPD nun einen neuen Anlauf gegen das Splitting nimmt, spricht also für eine gewisse Lust am Untergang. Es ehrt sie aber auch. Denn sie hat mit ihrer Kritik ja völlig recht: Besserverdienende Ehepaare profitieren davon deutlich mehr als ärmere. Das Splitting fördert sehr oft die falschen Paare, weil es für kinderlose genauso hoch ist wie für kinderreiche Familien. Das Splitting trägt zudem dazu bei, dass die Struktur der Arbeitsgesellschaft sich nicht ändert - es bietet nämlich gerade Familien mit jungen Kindern einen hohen Anreiz, auf das klassische Einverdiener-Modell zu setzen. Meist entscheiden sich dann die Frauen dafür, ihren Job aufzugeben und sich um das Management der Familie zu kümmern - darunter gut ausgebildete Frauen, die dem Arbeitsmarkt fehlen. Schließlich passt das Ehegattensplitting nicht mehr in diese Gesellschaft, in der sich immer mehr Menschen dafür entscheiden, ohne Trauschein zusammenzuleben.

Wer an dieser Subvention rüttelt, muss mit dem Scheitern rechnen

Das Problem ist, dass diese Argumente in der Realität schnell ihre Wirkung verlieren. Es liegt ganz gewiss nicht am romantischen Schnee und der wohligen Weihnachtszeit, dass so viele Ehen im Dezember geschlossen werden. Dieser Termin sichert die Splitting-Ersparnis eines ganzes Jahres. Und der ist nicht zu unterschätzen. Ein Alleinverdiener mit einem monatlichem Brutto von 3000 Euro zahlt dadurch etwa 3120 Euro weniger im Jahr.

Genau deshalb ist das Splitting so schwer abzuschaffen. Es ist eine gigantische Subvention, die 20 Milliarden Euro im Jahr ausmacht. Im Gegensatz zu den meisten sonstigen Subventionen kommt es nicht etwa einer kleinen Gruppe zugute, sondern der breiten Masse. So funktioniert immer noch mehr als ein Drittel aller Paare nach dem Prinzip, dass einer arbeitet und der andere den Haushalt führt.

Das Ehegattensplitting ist für viele Familien zudem eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Die Steuererleichterung wird in die Lebensplanung einbezogen, beim Bau eines Hauses oder bei der Fahrt in den Urlaub. Ohne diese Förderung müssten sie sich einschränken. Die Frauen würden sich tatsächlich umgehend einen Job suchen. Allerdings geschähe dies nicht aus Neigung oder Arbeitslust, sondern aus purem ökonomischen Zwang.

Subvention der Mittelschicht

Denn auch das ist eine Wahrheit des Ehegattensplittings: Es subventioniert breite Teile der Mittelschicht, und diese ist extrem dankbar für diese Subvention. Wer immer also etwas daran verändern möchte, muss sich auf heftigen Widerstand gefasst machen und sich etwas Besonderes einfallen lassen.

Die SPD hat sich für eine Lösung mit sogenannten Großvaterrechten entschieden. Sie räumt den verheirateten Paaren einen Bestandsschutz ein. Wer also vor der Neuregelung bereits verheiratet ist und vom Ehegattensplitting profitiert, muss nicht mit einer Kürzung des Steuervorteils rechnen. Erst in sechzig bis achtzig Jahren, wenn auch die letzten Alt-Paare gestorben sind, dürfte das Ehegattensplitting dann aus der Welt sein. So lange geisterte es als teure Ergänzung durch die deutsche Steuerlandschaft.

Für Paare, die nach dem SPD-Stichtag heiraten, gibt es hingegen ein neu ausgerichtetes Ehegattensplitting. Es soll sich an der Zahl der Kinder orientieren, egal, ob die Eltern verheiratet sind, ohne Trauschein zusammenleben oder alleinerziehend sind. Damit Gutverdiener nicht übermäßig vom sozialdemokratischen Familiensplitting profitieren, soll der absetzbare Betrag begrenzt werden.

Die SPD wird es schwer haben, junge Paare zu überzeugen. Allein schon deshalb, weil die meisten von ihnen zum Zeitpunkt der Hochzeit noch keine Kinder haben, der Steuervorteil also erst in Zukunft greift. Um trotzdem zu überzeugen, müsste das SPD-Modell so großzügig sein, dass es deutlich über dem Ehegattensplitting liegt. Das dürfte, trotz eines (derzeit noch) ausgeglichenen Bundeshaushalts schwerfallen. So ist der Plan zum Scheitern verurteilt. Obwohl sehr viele gute Argumente für ihn sprechen, wird er sich nicht verwirklichen lassen.

Die gute Idee wird an den Verhältnissen scheitern, die durch ein schlechtes Modell entstanden sind. Wie jede große Subvention lässt sich das Ehegattensplitting nur abschaffen, indem man vorher nicht groß darüber spricht. Das mag unehrlich sein, aber der einzig Erfolg versprechende Weg.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: