Süddeutsche Zeitung

Steueroasen in der EU:Juncker will automatisch über Steuer-Deals informieren

  • Jean-Claude Juncker, der Präsident der EU-Kommission, reagiert auf die Berichte über Luxemburg-Leaks. Der Ex-Premierminister des Großherzogtums möchte, dass die EU-Mitgliedsstaaten künftig automatisch darüber informieren, wenn sie Steuersparmodelle für Konzerne genehmigen.
  • Das fordert auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Er hofft, damit das Ausnutzen von Steuerschlupflöchern eindämmen zu können, weil die Herkunftsländer der Konzerne sich dann direkt beschweren können.

Von Bastian Brinkmann

Automatische Informationen über Steuer-Konstrukte

Zum ersten Mal seit den Veröffentlichungen des Luxemburg-Leaks äußert sich der ehemalige Premierminister des Großherzogtums, Jean-Claude Juncker. In seine Amtszeit fallen viele der nun in der Öffentlichkeit diskutierten Fälle, in denen Konzerne dank Luxemburg Steuern in Milliardenhöhe vermeiden. Als neuer Präsident der Europäischen Kommission macht er jetzt einen Vorschlag, der gegen die Steuerflucht der Konzerne helfen soll: Die Mitgliedsstaaten sollen sich künftig gegenseitig automatisch darüber informieren, wenn sie Konstruktionen von Konzernen genehmigen.

Er habe den zuständigen Kommissar Pierre Moscovici gebeten, eine entsprechende Richtlinie zu erarbeiten, sagte Juncker. Eine EU-Richtlinie hat keine unmittelbare Gesetzeskraft, sondern muss erst von den einzelnen Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Neben Luxemburg gelten vor allem Irland und die Niederlande als Steueroasen in der EU. Die drei Staaten genehmigen Konzernen komplizierte Steuersparmodelle in sogenannten "tax rulings", also Steuer-Vorentscheidungen.

Juncker verteidigte diese Praxis grundsätzlich. "Tax rulings" seien weitverbreitet. Sie würden in Luxemburg allen Firmen gleichermaßen offenstehen. Dass er fast eine Woche zu den Luxemburg-Leaks geschwiegen habe, bezeichnete Juncker als "Fehler", der nicht aus böser Absicht erfolgt sei.

Auch Bundesfinanzminister will automatisch informiert werden

Junckers Vorstoß deckt sich mit einer Forderung des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble (CDU). In einem Brief an EU-Kommissar Moscovici schrieb er vor Junckers Auftritt: "Hier sollte hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Unternehmen zwischen den Steuerverwaltungen der betroffenen Länder größtmögliche Transparenz vereinbart werden." Er würde es "sehr befürworten", wenn die EU-Kommission die Initiative ergreifen würde, Informationen zu diesen Konzern-Genehmigungen in den spontanen Informationsaustausch nach der EU-Amtshilferichtlinie einzubeziehen.

Luxemburg hatte bereits betont, alle betroffenen Länder über die Steuer-Entscheidungen informieren zu wollen. Bisher funktioniert dies allerdings nur auf Anfrage, nicht automatisch.

Europaabgeordnete machen Luxemburg-Leaks zum Thema

Das EU-Parlament befasst sich am Mittwoch in einer Sonderdebatte mit der Steuer-Affäre, durch die der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker unter Druck geraten ist. Viele der Fälle, die in den Unterlagen des Luxemburg-Leaks auftauchen, fallen in seine Amtszeit als Premierminister des Großherzogtums. Das Parlament kündigte an, dass die Fraktionschefs das Thema zu Beginn der Sitzung am Nachmittag um 15 Uhr nachträglich auf die Tagesordnung setzen würden. Die Debatte darüber soll um 15.45 Uhr beginnen.

Die Linke im Europaparlament will wegen Luxemburg-Leaks ein Misstrauensvotum gegen die EU-Kommission organisieren. Nach der Geschäftsordnung des Parlaments sind dafür 76 Stimmen nötig. Die linke Fraktion namens Vereinte europäische Linke/Nordische grüne Linke (GUE/NGL) hat 52 Mitglieder.

Luxemburg bereit für EU-Kompromiss

Zuvor hatte Luxemburgs Finanzminister erstmals erklärt, dass sein Land auch bereit sei, neue Regeln in der EU zu akzeptieren. Bisher hatte die Regierung des Großherzogtums dies abgelehnt und darauf verwiesen, dass nur eine weltweite Lösung gegen die Steuerflucht der Konzerne helfen würde. Ein Kompromiss innerhalb der EU könnte leichter zu erreichen sein als auf globaler Ebene. Neben Luxemburg helfen auch vor allem Irland und die Niederlande Unternehmen dabei, ihre Steuerlast zu drücken. Gegen diese drei Staaten ermittelt die EU-Kommission bereits, ob die nationalen Finanzbehörden Konzernen wie Apple, Starbucks oder Amazon unfaire Steuervorteile eingeräumt haben.

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