Steueroasen:ICIJ publiziert Teile der Offshore-Leaks-Datenbank

Firmenbesitzer, Manager, Anwälte: Die Investigativ-Journalisten von ICIJ machen die Namen aus den Offshore-Leaks-Daten zu Unternehmenskonstrukten in Steueroasen teilweise als Datenbank verfügbar und durchsuchbar.

Fragen und Antworten

Seit Samstagmorgen sind Hunderttausende Offshore-Leaks-Daten öffentlich einsehbar und recherchierbar. Das Internationale Konsortium für Investigativen Journalismus (ICIJ) in Washington, das den immensen Datensatz vor etlichen Monaten von einer anonymen Quelle zugespielt bekam, macht damit wesentliche Informationen über ein Suchtool im Internet verfügbar. Angezeigt werden Angaben zu Firmen, zu ihren Besitzer und Managern, sowie zu dazwischen geschalteten Verwaltern wie Anwälten und Banken.

Warum macht das ICIJ die Daten öffentlich?

Um allen Journalisten und Bürgern weltweit die Recherche in diesen Daten zu ermöglichen - und um auf diese Art Transparenz zu schaffen in einer Umgebung, die von der Geheimhaltung lebe und so "Betrug, Steuerhinterziehung, Geldwäsche und andere Formen der Korruption" ermögliche, sagt ICIJ-Direktor Gerard Ryle. Das ICIJ folgt damit einem Verständnis von Transparenz, das in vielen Ländern erheblich stärker ausgeprägt ist als in Deutschland. In Schweden sind Steuerdaten von jedermann einsehbar, in den USA sind viele öffentliche Datenbanken online verfügbar, so dass jeder Bürger jederzeit selbst staatliche Daten prüfen kann - von einfachen Grundbucheinträgen bis hin zu Gerichtsurteilen, mit vollen Namen oder Fotos und Identitäten von Festgenommenen. In der Tradition dieser Transparenzkultur ist die jetzige Veröffentlichung zu sehen - wobei die Datenbank sehr viele sensible Daten nicht enthält, die in den Originaldaten noch enthalten waren: Kopien von Personalausweisen, Mailadressen, Kontodaten und anderes, was die Privatsphäre der Betroffenen berührt.

Welchen Teil des Datensatzes umfasst die Datenbank?

Letztlich ist das Suchtool eine Art interaktives, erweitertes Firmenregister. Frei zugängliche Firmenregister sind in vielen Ländern dieser Welt eine Selbstverständlichkeit, in etwa 120 Ländern sind solche Daten zumindest öffentlich erfragbar. Aus der Datenbank, die das ICIJ zugespielt bekam, ist nun genau eine solche Firmenübersicht für neun sogenannte Steueroasen ableitbar gewesen - wenngleich nicht für alle Firmen aus diesen Staaten. Für das Suchtool wurden konkret die Firmendatenbanken von zwei Finanzdienstleistern ausgewertet, um die es bei dem Leak ging; ihre Kunden sind es, die in der Datenbank auftauchen. Das erklärt auch, weshalb Offshore-Firmen mit Sitz beispielsweise in Delaware, Jersey oder Luxemburg nicht vertreten sind - dort waren die beiden Finanzdienstleister schlicht nicht aktiv.

Was zeigt das Suchtool genau?

Jeder interessierte Nutzer kann nach Namen und Firmen suchen, um sich mögliche Zusammenhänge zu erschließen. Die interaktive Suche erstellt eine Art Schaubild. So wird ersichtlich, wie kompliziert oder übersichtlich eine Firmenkonstruktion aufgebaut ist - und welche Verbindungen bestehen. Ein Beispiel: Im Suchtool des ICIJ lässt sich nachvollziehen, dass die Anwälte der Schweizer Kanzlei Lenz & Staehelin nicht nur die Offshore-Konstruktionen des mittlerweile verstorbenen Millionenerben Gunter Sachs betreuten, sondern auch die des französischen Großbankiers Elie de Rothschild oder der spanischen Kunstsammlerin Carmen Thyssen-Bornemiszwa.

Warum erst jetzt die Veröffentlichung?

Die Umsetzung in der geplanten Form brauchte Zeit. Insgesamt fanden sich in den Daten 120.000 Firmen und 130.000 involvierte Personen in aller Welt, deren Angaben erst strukturiert und bereinigt werden mussten. Den Datensatz korrekt zu scannen, umzuarbeiten und so fehlerfrei wie möglich darzustellen, war technisch eine Herausforderung. Die Datenbank ist wegen der komplizierten Struktur der Daten auch noch nicht komplett, so sind, wie eine SZ-Stichprobe ergab, längst nicht alle deutschen Namen erfasst.

Was bedeutet es, wenn eine Person in der Datenbank zu finden ist?

Erst mal nur, dass diese Person geschäftlich irgendwie mit einem der neun Länder verbunden ist - als Firmenbesitzer, Teilhaber, Funktionsträger oder Verwalter. Es bedeutet nicht, dass diese Person in irgendeiner Weise Illegales oder Verwerfliches getan hat. Es bedeutet noch nicht einmal, dass diese Person einen - wie auch immer gearteten - Steuervorteil hatte. Auch ist nicht auszuschließen, dass durch Falscheinträge in der internen Datenbank der Offshore-Dienstleister falsche Namen in dieser nun veröffentlichten Datenbank auftauchen. Allein schon aus diesem letztgenannten Grund nahm die SZ die Informationen aus den Offshore-Leaks-Daten immer nur als Grundlage, verifizierte sie und stellte anschließend eigene, weiterführende Recherchen an.

Werden auch private Daten öffentlich?

Nein. Die Datenbank enthält, wie schon gesagt, keinerlei Mailadressen, Bankverbindungen oder ähnliches. Wäre - wie verschiedentlich gefordert - der gesamte Offshore-Leaks-Datenbestand öffentlich gemacht worden, wären darunter Unmengen privater Daten gewesen, deren Publikation in keinem Verhältnis zu etwaigen Verdachtsmomenten gestanden hätte. Das Suchtool sortiert lediglich Informationen aus verschiedenen Teilen des großen Datensatzes zusammen, legt diesen aber nicht komplett offen.

Bleibt die anonyme Quelle der Offshore-Leaks geschützt?

Ja. Der Quellenschutz war für alle Beteiligte der Offshore-Leaks-Kooperation gleichermaßen wichtig, und neben dem Schutz sensibler Daten war der Schutz der Quelle eine Voraussetzung für die Veröffentlichung der Datenbank. In dieser finden sich nun keinerlei Spuren zur anonymen Quelle, da keine Originaldokumente enthalten sind, sondern lediglich strukturierte Informationen aus diesen Dokumenten.

Wird die SZ als deutscher ICIJ-Kooperationspartner die deutschen Daten auch selbst veröffentlichen?

Nein, dazu besteht kein Anlass. Sämtliche bislang im Datensatz gefundenen deutschen Namen wurden von der SZ gegenrecherchiert und im Zusammenhang mit den verbundenen Firmen auf ein Berichtsinteresse hin überprüft - also auch auf die Frage, ob ein öffentliches Interesse daran besteht, über die Handlungen dieser Personen oder Firmen zu berichten. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle fiel diese Prüfung negativ aus. Dazu kommt, dass in den allermeisten dieser Fälle keine Gesetzesverstöße erkennbar oder gar beweisbar sind. Nach unserem Verständnis von Persönlichkeitsrecht im Journalismus erfolgte daraufhin keine Berichterstattung, und dabei wird es auch bleiben, wenn beziehungsweise solange sich keine anderen Erkenntnisse ergeben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: