Süddeutsche Zeitung

Steuern:Wenn's ums Schwarzgeld geht: Sparkasse

  • Im Allgäu soll eine Sparkasse geholfen haben, Millionen Euro Schwarzgeld in Österreich zu verstecken.
  • Mehrere Staatsanwaltschaften ermitteln und behindern sich gegenseitig bei ihrer Arbeit.
  • Für die Sparkasse steht ein Bußgeld von neun Millionen Euro im Raum.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott

Von Münster bis Kempten sind es etwa 650 Kilometer, von Augsburg aus nur 120. Warum also kümmern sich ausgerechnet westfälische Staatsanwälte und Steuerfahnder um die in der 70 000-Einwohner-Stadt ansässige Sparkasse Allgäu, die systematisch Beihilfe zur Steuerhinterziehung begangen haben soll. Anstatt das Verfahren den Kollegen in Augsburg zu überlassen, die wegen der Nähe zum Tatort eigentlich zuständig sind und die den Fall ebenfalls für sich reklamieren. Eine Bank, zwei konkurrierende Staatsanwaltschaften von nah und fern, die sich auch noch gegenseitig in die Quere kommen. Das ist genauso ungewöhnlich wie die Sache selbst.

Die Sparkasse Allgäu hat nach Erkenntnissen der Ermittler aus Münster mindestens 900 Kunden geholfen, Vermögen vor dem Fiskus zu verstecken, sprich Steuern zu hinterziehen. Das Geld lag auf geheimen Konten in der Filiale Riezlern im österreichischen Kleinwalsertal, das per Auto nur von Deutschland aus erreichbar ist. Eine Enklave, die von reichen Leuten früher gern aufgesucht wurde, um Schwarzgeldkonten anzulegen. Auch andere Banken nutzten den kurzen Weg ins Ausland, um es ihren Klienten möglich zu machen, bei einem Ausflug ins idyllische Kleinwalsertal den Staat zu betrügen. Aber eine Sparkasse? Wo doch diese Banken, die meist den Städten und Landkreisen gehören, als besonders solide und seriös gelten.

Neun Millionen Euro Bußgeld wollen Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung Münster von der Sparkasse in Kempten kassieren, und da ist schon ein Preisnachlass inbegriffen. Vor wenigen Monaten hatten die westfälischen Ermittler in einem vierseitigen Vermerk noch notiert, es zeichne sich ein "erheblicher Abschöpfungsbetrag ... im zweistelligen Millionenbereich ab". Also mehr als zehn Millionen Euro. Abschöpfung bedeutet, dass die Sparkasse Allgäu mehr Bußgeld bezahlen soll, als das Institut nach den Berechnungen der Münsteraner Steuerfahnder und Staatsanwälte an den Schwarzgeldkonten im Kleinwalsertal verdient hat.

Während sich das Strafmaß schon abzeichnet, ist noch unklar, ob der Millionenbetrag am Ende in der nordrhein-westfälischen oder der bayerischen Staatskasse landet. Auch die Staatsanwaltschaft Augsburg will zugreifen. Die schwäbischen Ermittler sind sogar so weit gegangen, bei einer Razzia im April Material zu beschlagnahmen, das die Sparkasse Allgäu eigens für die westfälischen Fahnder zusammengestellt hatte.

Andere Institute bis hin zur Deutschen Bank bekamen in den vergangenen Jahren wegen diverser Vergehen immens hohe Bußgelder auferlegt, bis hin zu Milliardenbeträgen. Da sind neun Millionen Euro nicht viel. Einerseits. Andererseits dürfte es sich, so es dazu käme, um eine der höchsten Strafen für eine Sparkasse in Deutschland handeln. Dabei haben die kommunalen Institute sich gerade in den vergangenen Jahren als Alternative zu großen Geschäftsbanken empfohlen, denen der Profit über alles gehe, ohne Rücksicht auf die Gesellschaft. Und nun das.

Die Sparkasse Allgäu will sich zu alledem wegen der laufenden Ermittlungen nicht äußern. Aber was ist mit dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV)? Der müsste doch wissen, ob es jemals schon eine Geldbuße in dieser Größenordnung gegen eine Kommunalbank gab. Und ob auch andere Sparkassen systematisch Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet haben soll. Dem Verband lägen dazu keine Erkenntnisse vor, antwortet ein DSGV-Sprecher. Und wegen der noch laufenden Ermittlungen wolle sich Verbandspräsident Georg Fahrenschon nicht zu dem Fall äußern. Fahrenschon, ehedem Finanzminister in Bayern, sagt ansonsten gerne, "nicht umsonst wird unseren Instituten mit Abstand das größte Vertrauen entgegengebracht."

Die betroffenen Beschäftigten könnten glimpflich davonkommen

Das mit dem Vertrauen müssen jene Mitarbeiter der Sparkasse Allgäu missverstanden haben, die nach Erkenntnissen der Behörden Schwarzgeldkonten angelegt oder gutgeheißen haben. In Augsburg wird gegen zehn, in Münster gegen acht Angestellte der Kommunalbank ermittelt. Die betroffenen Beschäftigten könnten glimpflich davonkommen. Ihre Verfahren werden möglicherweise eingestellt, sofern die Sparkasse das geforderte Bußgeld zahlt. Das ist in der Regel auch bei anderen Banken so geschehen, denen die Ermittler in Nordrhein-Westfalen auf die Schliche gekommen waren.

Die in der Finanzbranche besonders gefürchteten Steuerfahnder von Rhein und Ruhr hatten vor Jahren begonnen, Selbstanzeigen von Steuerhinterziehern systematisch auszuwerten. Sobald ein Institut mit Schwarzgeldkonten auffällig wurde, leiteten die Behörden ein Verfahren ein. Gut 50 Banken bekamen auf diese Weise ein Aktenzeichen. Viele Fälle sind mit zum Teil hohen Bußgeldern bereits abgeschlossen. Die UBS und die Credit Suisse, zwei Schweizer Großbanken, zahlten 300 beziehungsweise 150 Millionen Euro wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung bei etlichen Tausend Kunden.

Die Sparkasse Allgäu kam nur in 150 Selbstanzeigen aus Nordrhein-Westfalen vor, aber auch das reichte für ein Verfahren. Das Institut in Kempten sagte zu, alles offenzulegen; dafür verzichtete die Staatsanwaltschaft Münster auf eine Durchsuchung. Inzwischen sind etwa 900 Kunden mit Schwarzgeldkonten im Kleinwalsertal aktenkundig, davon 350 aus Bayern und 310 aus Baden-Württemberg. Die Sache ging gut voran, als die Staatsanwaltschaft Augsburg plötzlich dazwischen funkte und kurz vor Ostern in Kempten jene Unterlagen beschlagnahmte, die für die Ermittler in Münster bestimmt waren. Auslöser war offenbar ein Erbschafts-Steuerfall.

Das Einschreiten der Augsburger erboste deren Kollegen in Münster ungemein. Die westfälischen Ermittler rügten in einem Vermerk, der Augsburger Durchsuchungsbeschluss erfülle nicht einmal die "Mindestanforderungen" nach der Strafprozessordnung. So fehlten konkrete Angaben zum Tatvorwurf. Was die Augsburger machten, das sei kein faires Verfahren. Die Arbeit von Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung Münster werde "torpediert". Die NRW-Ermittler notierten auch, die Sparkasse Allgäu sei bereit, das Verfahren in Münster bald abzuschließen.

Sollten sich die Behörden nicht einigen, wer zuständig ist, dann müsste am Ende der Generalbundesanwalt entscheiden. Auch das wäre genauso ungewöhnlich wie der Fall selbst. Gewiss ist nur eines: Wiederholungsgefahr ausgeschlossen! Die Sparkasse Allgäu hat ihre Filiale in Riezlern im Kleinwalsertal 2016 geschlossen.

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Quelle:
SZ vom 28.08.2017/jael
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