Steuern:Warum es so schwierig ist, Steuern zu senken

Steuern Steuersenkung Koalitionsverhandlung

Große Teile ihres Einkommens geben Verbraucher gleich an den Staat weiter.

(Foto: dpa-tmn)
  • Es gibt etliche Abgaben, die Verbraucher senken oder am liebsten abschaffen würden.
  • Doch Eingriffe der Politik in das System haben komplexe Folgen.
  • Eine Übersicht, was beim Solidarzuschlag, der Einkommens-, Mehrwert- und Grunderwerbsteuer möglich ist - und was nicht.

Von Cerstin Gammelin

Die deutsche Politik trägt ihre Wertschätzung für Steuern jeglicher Art nicht offen vor sich her. Wer aber einen Blick in das deutsche Steuerrecht wirft, dürfte überrascht sein vom Ausmaß des föderalen Steuer-Dschungels. Es gibt in Deutschland mehr Steuerarten als das deutsche Alphabet Buchstaben hat - nämlich mehr als vierzig verschiedene. Sie reichen von A wie Alkopopsteuer bis Z wie Zweitwohnungssteuer. Die Steuern haben Bund, Ländern und Gemeinden im vergangenen Jahr mehr als 734 Milliarden Euro eingebracht, so die Prognose des Arbeitskreises Steuerschätzung. Das sind etwa 30 Milliarden Euro mehr als 2016, und die Tendenz ist weiter steigend.

Mehr als die Hälfte der Einnahmen, nämlich 403 Milliarden Euro, stammt aus direkten Steuern, die auf Vermögen und Einkommen erhoben werden. Größte Einnahmequelle ist die Lohnsteuer. Unter den indirekten Steuern ist es die Umsatzsteuer, die mehr als 210 Milliarden Euro in die Kassen spült und damit den größten Teil dieser Einnahmen.

Wenn CDU, CSU und SPD davon sprechen, das Steuersystem reformieren und die finanzielle Last senken zu wollen, haben sie einerseits die Einkommensteuer im Blick, weil diese alle Erwerbstätigen und damit die große Mehrheit der Bevölkerung betrifft.

Neben dem allgemeinen Senken der Steuerlast gilt aber auch: Durch das Drehen an Steuerschrauben können gezielt gesellschaftliche Veränderungen herbeigeführt und politische Projekte befördert werden. So hat die CSU, die Familien bei der Bildung von Wohneigentum fördern will, bei den anstehenden Sondierungsgesprächen zur Bildung einer großen Koalition die Grunderwerbsteuer ins Visier genommen. Die SPD will den Spitzensteuersatz erhöhen, um mit dem Aufkommen im Gegenzug finanzielle Erleichterungen für Geringverdiener zu finanzieren. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) wiederum empfiehlt den Sondierern eine Reform der Mehrwertsteuer, um gezielt Geringverdiener zu entlasten, die einen vergleichsweise großen Anteil ihres Einkommens dafür aufwenden müssen. Was etwaige Veränderungen an den wichtigsten Steuerarten bewirken könnten, ist im Folgenden dargestellt.

Einkommensteuer

CDU, CSU und SPD haben in ihren Wahlprogrammen versprochen, die Bezieher von geringen und mittleren Einkommen finanziell zu entlasten und dazu auch die Steuertarife zu senken, vor allem im Bereich des sogenannten Mittelstandsbauches. Dieser bezieht sich auf die Grenzsteuersätze, also die Steuerbelastung auf den nächsten verdienten Euro. Das DIW weist allerdings in seinem Monatsbericht vom Dezember darauf hin, dass die Mittelschicht durch die Einkommensteuer ohnehin vergleichsweise wenig belastet wird. Das Existenzminimum ist steuerfrei, das sind 2017 die ersten 9000 Euro. Zudem sind weitere Abzüge pauschal möglich, nur der Rest des Bruttoeinkommens wird versteuert. Erst bei höheren Einkommen steigt die Belastung durch die Einkommensteuer deutlich an. Die reichsten zehn Prozent zahlen schließlich 56 Prozent des gesamten Einkommensteueraufkommens.

Das heißt konkret: Wer die Bezieher geringerer Einkommen durch höhere Freibeträge oder flache Steuertarife entlasten will, entlastet damit auch die Bezieher höherer Einkommen. Charme hat die Idee dennoch. Packt die Politik eine Reform der Steuertarife geschickt an, kann sie sowohl im unteren Bereich entlasten als auch diese Entlastungen durch höhere Spitzensteuersätze gegenfinanzieren - ohne dass Gutverdiener mehr zahlen müssten. Denn der Steuerbetrag, der durch einen höheren Spitzensteuersatz fällig werden würde, könnte von der Entlastung im unteren Bereich neutralisiert werden.

Solidaritätszuschlag

Die Sonderabgabe bringt dem Bund jährlich 16 bis 20 Milliarden Euro ein. Davon zahlen die einkommenstärksten zwanzig Prozent der Bevölkerung knapp 14 Milliarden Euro. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung trägt dagegen nur 0,3 Milliarden Euro oder 1,7 Prozent zum Aufkommen bei. Das liegt schlicht daran, dass die Sonderabgabe an die Einkommensteuer gekoppelt ist, wenn diese ansteigt, steigt auch der Soli. Wer den Soli vollständig abschaffen will, entlastet vor allem Haushalte mit den höheren und höchsten Einkommen.

Mehrwertsteuer

Die Verbrauchsteuer auf Konsumgüter jeglicher Art ist die zweitwichtigste Säule im deutschen Steuerstaat. Ihr Aufkommen von 210 Milliarden Euro jährlich entspricht sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In den bisherigen Sondierungen hat die Mehrwertsteuer keine Rolle gespielt - obwohl deren Senkung vor allem ärmere Haushalte entlasten würde, bei denen ein besonders hoher Anteil ihres Einkommens dafür drauf geht. Das DIW hat im Dezember die Senkung der Mehrwertsteuer in die Debatte eingebracht. Das Institut schlägt vor, den ermäßigten Steuersatz auf Nahrungsmittel und öffentlichen Nahverkehr von sieben auf fünf Prozent zu senken. Private Haushalte würden dadurch um vier Milliarden Euro entlastet - falls die Unternehmen entsprechend die Preise senken. Vor allem Geringverdiener hätten spürbar mehr Geld zur Verfügung. Alternativ ist regelmäßig im Gespräch, den allgemeinen Satz von 19 Prozent zu senken und all die verwirrenden und auf besondere Klientel-Interessen zurückgehenden Ermäßigungen abzuschaffen - mit Ausnahme derer auf Produkte zur Daseinsvorsorge. Bisher gab es dafür keine Mehrheit.

Grunderwerbsteuer

Wer ein Haus, ein Grundstück oder eine Eigentumswohnung erwirbt, muss Grunderwerbsteuer zahlen. Die Steuer liegt im Ermessen der Bundesländer. In Bayern werden 3,5 Prozent vom Kaufpreis fällig, in vielen anderen Bundesländern 6,5 Prozent. Insbesondere für junge Familien und Berufseinsteiger, die Eigentum schaffen wollen, ist die Steuer ein Problem, da leicht ein vierstelliger Betrag fällig wird. Die CSU fordert deshalb, dass für die erste Immobilie für Erwachsene und ihre Kinder künftig Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer gelten sollen. Als Alternative ist im Gespräch, die Steuer bundesweit zu deckeln.

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