Steuern:Teile und rechne

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Er verabschiedet sich zur Arbeit, sie bleibt daheim. Was in den 1950er Jahren die Regel war, wird zur Ausnahme. Steuerlich gilt noch das Modell von damals. (Foto: Joker/imago)

60 Jahre Ehegattensplitting: 1958 eingeführt, überdauerte es unverändert, obwohl die Welt längst eine andere ist.

Von Henrike Roßbach

Die Ehe kann vieles sein. Freude, Anstrengung, Marathon, die ganz große Liebe, die ganz große Katastrophe. Der Gesetzgeber verlängert diese ohnehin nicht abschließende Liste noch um den Posten der Erwerbsgemeinschaft. Eng verbunden damit ist das Ehegattensplitting, das vor genau 60 Jahren seine Geburtsstunde erlebte. Der "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts" trägt das Datum 7. März 1958. Im Juni folgten die zweite und dritte Lesung, am 23.

Juli 1958 die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt. Im Grunde ist das Ehegattensplitting eine simple Rechenoperation. Die Einkommen von Mann und Frau werden addiert, durch zwei geteilt, darauf wird die Einkommensteuer erhoben und der sich ergebende Betrag anschließend wieder verdoppelt. Von Bedeutung ist dieses Addieren und Dividieren nur, wenn der Steuertarif progressiv ist - wenn also auf höhere Einkommen höhere Steuersätze fällig werden als auf niedrigere. Als das Ehegattensplitting Ende der fünfziger Jahre eingeführt wurde, sagt Katharina Wrohlich, Ökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, seien immer mehr Arbeitnehmer wegen der steigenden Einkommen in diesen Progressionsbereich hineingewachsen. Wenn sie heirateten, stieg ihre Steuerlast: Ihre Einkommen wurden gemeinsam besteuert, wodurch höhere Sätze fällig wurden als die, die sie vorher auf ihre individuellen und damit niedrigeren Einkommen gezahlt hatten. "Es war eine Diskriminierung der Ehe", sagt Wrohlich. Die wollte 1957 das Bundesverfassungsgericht nicht länger hinnehmen.

Doch während das Ehegattensplitting bis heute überdauert hat, ist die Gesellschaft längst eine andere. Ehen, in denen der Mann fürs große Geld und die Frau für den Rest zuständig ist, sind seltener. Vom Ehegattensplitting aber profitiert kein Modell so sehr wie die Alleinverdienerehe. Sobald der Partner mitverdient, schmilzt der Steuervorteil. Wenn beide gleich viel verdienen, ist er dahin. "Die Anreize für Frauen zu arbeiten sind dadurch gering", sagt Wrohlich. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Lisa Paus nennt das Ehegattensplitting gar "Sinnbild für eine rückwärtsgewandte Gesellschaftspolitik", sie sagt: "Es macht keinen Sinn, steuerlich zu fördern, dass ein Ehepartner nicht arbeiten geht - das schadet der Gleichstellung von Mann und Frau."

© SZ vom 07.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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