Süddeutsche Zeitung

Geldanlage:Deutschlands Superreiche zieht es wieder nach Liechtenstein

Lesezeit: 3 min

Immer mehr Deutsche legen ihr Geld wieder in dem Fürstentum an. Auch aus Angst, dass eine neue Bundesregierung hohe Einkommen, große Vermögen oder Erbschaften stärker besteuern könnte.

Von Uwe Ritzer

Die Cloppenburgs, die Müllers von der gleichnamigen Drogeriekette, Hans-Peter Wild ("Capri-Sonne") und seit Kurzem auch Sandalen-König Christian Birkenstock. Letzterer gründete seine Privatstiftung mit Sitz in Vaduz im Januar, kurz bevor er und sein Bruder Alexander die Mehrheit an dem Familienunternehmen mutmaßlich für einen Milliardenbetrag verkauften: Deutschlands Superreiche zieht es vermehrt wieder nach Liechtenstein. Milliarden Euro fließen so aus Deutschland ab. Die Zeit ist vorbei, in der besonders vermögende Bundesbürger einen großen Bogen um den Finanzplatz machten, nachdem 2008 der damalige Post-Chef Klaus Zumwinkel medienwirksam als Steuerhinterzieher aufgeflogen war. Dieser Wandel hat auch mit der Bundestagswahl zu tun.

Die Angst geht um unter Deutschlands Reichen, dass eine wie auch immer zusammengesetzte neue Bundesregierung hohe Einkommen, große Vermögen oder Erbschaften stärker besteuern könnte. Auch wenn die Partei Die Linke in Berlin nicht mitregieren wird, fürchten sie, dass SPD und Grüne nicht zuletzt angesichts der durch die Pandemie enorm gestiegenen Staatsschulden deutlich höhere Abgaben beschließen werden. So berichten es Liechtensteiner Vermögensverwalter aus Gesprächen mit deutschen Kunden. Von ihnen verweise manch einer darauf, dass selbst CDU-Finanzexperte Friedrich Merz laut über eine möglicherweise höhere Erbschaftsteuer nachgedacht habe.

In den vergangenen zehn Jahren machten Anleger einen Bogen um Liechtenstein

Nicht erst seit dem Wahlsonntag, sondern bereits seit einigen Monaten sei die Nachfrage gestiegen, "vor allem von sehr reichen deutschen Familien und Family-Offices, die ihre Vermögen in Liechtenstein anlegen wollen", sagt ein Finanzplatzakteur in Vaduz. Der Wahlkampf in Deutschland habe "diesen Trend nur beschleunigt". Dass sich Liechtenstein als Banken- und Finanzplatz "wachsender Beliebtheit erfreut", stellt auch Simon Tribelhorn fest. Er ist Geschäftsführer des Liechtensteiner Bankenverbands. "Das belegen auch die Neugeldzuflüsse am Standort. Dazu gehören gerade auch Kunden aus Deutschland." Treibt sie die Furcht vor künftig höheren Abgaben ins Fürstentum? "Ich glaube, dass dies auch mit einer generellen Unsicherheit über die Frage 'Wie weiter' zusammenhängt", sagt Tribelhorn.

Jahrzehntelang galt das kleine Liechtenstein im Rheintal zwischen Österreich und der Schweiz vor allem Geldwäschern und Steuerhinterziehern aus der ganzen Welt als probates Versteck. Das änderte sich schlagartig, als ein Mitarbeiter der Treuhandsparte bei der fürstlichen LGT-Bank 2008 die Daten Hunderter ausländischer Kunden kopierte und an die Finanzbehörden der jeweiligen Herkunftsländer verkaufte. Der Informant wurde dafür von diesen Staaten reich entlohnt und ist seither mit geheimdienstlicher Hilfe und falscher Identität untergetaucht. Dank seiner Daten flogen allein in Deutschland außer Zumwinkel mehrere Hundert weitere Steuerhinterzieher und -betrüger auf.

Das schadete der Reputation Liechtensteins. Fortan machten Anleger nicht nur einen weiten Bogen um das Land, sondern sie zogen auch viele Milliarden Euro von dort ab. Vor allem das Geschäft mit Liechtensteiner Privatstiftungen brach ein, die jahrzehntelang als besonders geeignetes Versteck für Schwarzgeld galten. Ihre Zahl sank von gut 50 000 Ende der Nullerjahre auf weniger als 9000 im Jahr 2020. Das Fürstentum stand obendrein am internationalen Pranger und leitete vor allem unter dem Druck der USA und der EU umfassende Reformen ein. Von "Weißgeldstrategie" ist seither die Rede. So schloss Liechtenstein nicht nur bilaterale Steuerabkommen mit vielen Staaten, sondern leistet auch internationale Amtshilfe in Steuerfragen. Was beispielsweise bedeutet, dass deutsche Finanzbehörden automatisch und regelmäßig über Kapitalerträge von Bundesbürgern in Liechtenstein informiert werden.

Die Akteure versichern, dass das Land nicht mehr Zufluchtsort für Steuerbetrüger sein wolle

Vor diesem Hintergrund hören es die Verantwortlichen in Vaduz nicht gerne, wenn von Liechtenstein nach wie vor als "Steueroase" die Rede ist. Auch wenn die staatliche Abgabenlast verglichen mit Deutschland deutlich geringer ist. In Liechtenstein werden keine Erbschaft- und Gewerbesteuern erhoben, Dividenden, sowie im Ausland erzielte Mieteinnahmen und Kapitalerträge sind ebenfalls steuerfrei und die Ertragssteuer ist deutlich niedriger als hierzulande. Es sei das gute Recht des souveränen Staates Liechtenstein, seine Steuersätze selbst festzusetzen, entgegnen Finanzplatzakteure in Vaduz. Sie versichern zugleich, dass das Land aber kein Interesse mehr daran habe, ein Zufluchtsort für ausländische Steuerbetrüger zu sein.

"Die Anleger, die jetzt wieder vermehrt kommen, suchen bei uns auch keine Geldverstecke, sondern Stabilität und ihnen geht es häufig darum, ihre Vermögen zukunftsfähig zu strukturieren und zu sichern", sagt einer. Etwa um Unternehmensübergänge zu regeln und den familiären Frieden in superreichen Familien dauerhaft zu sichern. Dafür bietet Liechtenstein allerhand spezielle Konstrukte an; Stiftungen, Trusts, Anstalten zum Beispiel. Auch Firmensitze werden gerne in das Fürstentum verlagert. Wie in der Schweiz kann in Liechtenstein ein Superreicher außerdem auf ein für Normalbürger nur schwer erreichbares Wohnsitzrecht hoffen.

"Der Grund für das verstärkte Interesse an Liechtenstein ist sicherlich, dass sich die Reputation von Liechtenstein über die letzten Jahre merklich verbessert hat", sagt Simon Tribelhorn vom Bankenverband. "Für die Kunden ist Liechtenstein als EU-reguliertes Land im Schweizer-Franken-Raum aber auch zur Diversifikation ihrer Geldanlagen interessant." Auch spielten "die langjährige Expertise im Wealth Management und nicht zuletzt auch die politische und wirtschaftliche Stabilität des Landes eine gewichtige Rolle". Und man stelle fest, dass das Thema Nachhaltigkeit, auf das mehrere Institute ihren Fokus setzten, auf ein immer größeres Interesse stoße.

Das Bundesfinanzministerium in Berlin geht davon aus, dass Deutsche etwa 11,8 Milliarden Euro in Liechtenstein gebunkert haben.

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