Nationale und internationale Banken wie die Hypo-Vereinsbank (HVB) und das Schweizer Geldinstitut Sarasin sollen sich bei fragwürdigen Aktiengeschäften jahrelang systematisch am deutschen Fiskus bereichert haben. Zweck der Aktiendeals war es offenbar, mehr Steuern erstattet zu bekommen, als gezahlt worden waren. Das belegen interne Unterlagen der HVB und von Sarasin, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Auch viele andere Banken sollen dieses Geschäftsmodell betrieben haben. Nach Schätzungen der Finanzbehörden könnte sich der Gesamtschaden für Staat und Steuerzahler auf weit über zehn Milliarden Euro belaufen.
Die in München ansässige HVB ermittelt selbst schon länger wegen verdächtiger Aktiendeals. Im Verlaufe der internen Untersuchung sagte ein HVB-Beschäftigter aus, bei solchen Geschäften mit einem großen Kunden der Hypo-Vereinsbank sei es um eine "doppelte Steuergutschrift" gegangen. Ziel der Deals sei es nach seiner Wahrnehmung gewesen, eine Gesetzeslücke so auszunutzen, dass der Fiskus eine nur ein Mal abgeführte Kapitalertragsteuer doppelt erstatte. So habe es ein mit diesen Geschäften befasster Steuerexperte bei einer Besprechung in der HVB erklärt.
Beteiligter Banker packt aus
Intern sei klar gewesen, dass man Geschäfte auf Kosten des Fiskus mache, berichtete der Beschäftigte den von der Bank eingesetzten Ermittlern. Es ist das erste Mal, dass ein an solchen Geschäften beteiligter Banker offen zugibt, dass der Fiskus ausgenommen wurde. Die HVB hat eigenen Untersuchungsergebnissen zufolge von 2005 bis 2008, teilweise mit Partnern, Geschäfte dieser Art gemacht. Der Steuerschaden soll 200 Millionen Euro betragen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen frühere und heutige HVB-Angestellte sowie gegen einen weiteren Verdächtigen wegen schwerer Steuerhinterziehung. In Kreisen von Juristen, die mit der Aufarbeitung solcher Geschäfte befasst sind, wird mit einer Anklage im Fall HVB und Ermittlungen bei weiteren Banken gerechnet. Die Justiz müsste dann entscheiden, ob das Ausnutzen der angeblichen Gesetzeslücke kriminell gewesen wäre. Ein Strafprozess gegen HVB-Verantwortliche hätte Pilotcharakter.
Erst seit 2012 sind derartige Aktiendeals zulasten des Fiskus aufgrund neuer gesetzlicher Vorgaben technisch nicht mehr möglich. Insgesamt untersuchen deutsche Finanzbehörden mehr als 40 Fälle, in die zahlreiche Banken verwickelt sind. Das Schweizer Geldinstitut Sarasin hat einem Arbeitspapier vom 16. Juni 2011 zufolge ebenfalls bewusst solche Geschäfte gemacht, obwohl diese intern als "steuerrechtlich nicht ok" (Schreibweise auf dem Dokument; Anm. d. Red.) eingestuft worden waren. Diese Aktiendeals seien "mit Sicherheit im Bereich der Steuerumgehung anzusiedeln", heißt es in dem Papier. Die Steuerabteilung von Sarasin genehmigte die Geschäfte trotzdem. Private Kapitalanleger, die daraufhin für solche Geschäfte geworben wurden und die sich nun von Sarasin getäuscht sehen, beziffern den mutmaßlichen Schaden für den deutschen Fiskus allein in diesem Fall auf mehr als eine Milliarde Euro.
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- Akte Flora: Der Erste packt aus - Ein Beschäftigter der Hypo-Vereinsbank erzählt, wie der Fiskus jahrelang systematisch ausgenommen worden sei.
- Projekt "Gipfelsturm" - Wie das Schweizer Geldhaus Sarasin offenbar gezielt den deutschen Fiskus betrogen hat.
- Cum und Ex - Wie das Geschäftsmodell funktionierte.