Steuerhinterziehung:Abschied von der Selbstanzeige

Suspected Tax Evaders Use Lichtenstein As Financial Loophole

Als Steueroase schon länger erledigt: Seit einem Datenleck vor zehn Jahren meiden viele Hinterzieher Liechtenstein.

(Foto: Johannes Simon)

Immer weniger Betrüger melden sich in Deutschland freiwillig beim Finanzamt. Das ist auf den ersten Blick überraschend, aber dafür gibt es gute Gründe.

Von Bastian Brinkmann

Einbrecher und andere Kriminelle träumen von dieser Regel. Aber sie gilt nur für Steuerhinterzieher: Wer sich freiwillig beim Finanzamt selbst anzeigt, kommt straffrei davon. Zehntausende Steuerhinterzieher haben sich diese Ausnahme in den vergangenen Jahren zunutze gemacht - 2016 allerdings relativ wenige. Mehr als 4000 Selbstanzeigen gingen bei den Finanzämtern ein, berichten die zuständigen Landesfinanzministerien dem Handelsblatt. Leider gibt es keine offizielle deutschlandweite Statistik, deswegen gibt es zum Jahresende regelmäßig Umfragen unter den Ländern. Die Zahlen sind somit nur schwer vergleichbar, aber der Trend ist klar: 2015 gab es noch etwa 15 000 Selbstanzeigen, 2013 waren es sogar mehr als 24 000.

So niedrig wie 2016 war die Zahl der Selbstanzeigen zuletzt 2011. Auf den ersten Blick ist es überraschend, dass ausgerechnet jetzt die Zahl der Selbstanzeigen zurückgeht. Immerhin wurden dieses Jahr die Panama Papers enthüllt, das bisher größte Datenleck aus der Welt der Steueroasen. Doch es gibt gute Gründe für dieses Phänomen. Nach 2011 wurden Selbstanzeigen für viele Steuerberater ein gutes Geschäft. Die Medienberichte über gekaufte Steuer-CDs, über Datenlecks in Steueroasen wie Offshore-Leaks und Fälle wie der Wieder-FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß schreckten viele Hinterzieher auf. Außerdem verschärfte die Politik Schritt für Schritt die Steuergesetze. Der Druck, entdeckt zu werden, stieg also stetig - und damit der Anreiz, sich selbst anzuzeigen. Denn damit Steuerhinterzieher wirklich straffrei ausgehen, müssen sie den Steuerfahndern zuvorkommen.

Den Staat über das Schwarzgeld zu informieren, ist viel teurer geworden

Doch seit Januar 2015 gelten schärfere Regeln für die Selbstanzeige. Steuerhinterzieher müssen nun ihre Geschäfte der vergangenen zehn Jahre offenlegen. Bisher lag die Grenze bei fünf Jahren. Die hinterzogene Summe ist in der Regel also deutlich höher - und damit die Strafe. Außerdem müssen Täter insgesamt mehr nachzahlen. Ein Beispiel: Wer 1,2 Millionen Euro Steuern hinterzogen hat, musste zusätzlich zu dieser Summe und Zinsen früher nur 60 000 Euro Strafe zahlen. Nun werden 240 000 Euro fällig. Wer clever war, hat sich also vorher angezeigt.

Internationale Abkommen machen es zudem leichter, Steuerhinterzieher im Ausland zu erwischen. Berüchtigte Steueroasen wie Gibraltar und die Britischen Jungferninseln haben zugesagt, im Jahr 2017 automatisch alle Kontodaten deutscher Bankkunden an die hiesigen Finanzämter zu melden. Selbst die Schweiz, das einst beliebteste Steuerparadies der Deutschen, hat sich vom Bankgeheimnis verabschiedet. Von 2018 an schickt auch die Schweiz Kontodaten nach Deutschland. Die Finanzämter müssen keinen Verdacht haben, sie bekommen die Informationen direkt auf den Schreibtisch. Wer sich jetzt immer noch nicht selbst angezeigt hat, bekommt also sicher Probleme. Dazu kommt: Schweizer Geldhäuser drängen schon seit Längerem ihre Kunden, zu beweisen, dass auf dem Konto kein Schwarzgeld liegt. Wer das nicht belegen kann, dem droht die Kündigung.

Wer Briefkastenfirmen besitzt, muss das künftig offenlegen

Die Bürger müssen des Weiteren künftig in der Steuererklärung offenlegen, wenn sie Geschäfte mit Briefkastenfirmen machen. Das hat die Bundesregierung im Dezember beschlossen. 2018 soll es in Kraft treten. Steuerzahler sind dann verpflichtet, direkte und indirekte Beteiligungen an Briefkastenfirmen ab zehn Prozent zu melden. Solche Offshore-Gesellschaften sind essenziell, um Geld zu verstecken. Wenn Bürger in der Steuererklärung lügen, werden Briefkastenfirmen für Steuerbeamte weiterhin eine Sackgasse bleiben. Offshore-Firmen in Panama werden im Internet für 2000 Euro angeboten. Als Geschäftsführer und Eigentümer werden Strohmänner in die öffentlichen Register eingetragen. Der Käufer bleibt dann anonym. Steuerfahnder haben keine Chance.

Seit 2010 haben sich insgesamt etwa 130 000 Steuerhinterzieher angezeigt. Eine andere Erklärung für den Rückgang der Selbstanzeigen könnte auch sein, dass gar nicht mehr so viel Schwarzgeld in Steueroasen versteckt ist. Wie hoch die Dunkelziffer noch ist, weiß niemand. Die Finanzministerin von Schleswig-Holstein zeigt sich optimistisch: "Es scheint so, als habe durch das anhaltend hohe Entdeckungsrisiko das Geld aus den Schweizer Tresoren und den Briefkästen Panamas den langen Weg in die schleswig-holsteinische Steuerkasse zurückgefunden", sagte Monika Heinold (Grüne) dem Handelsblatt.

Natürlich ist auch eine weitere Erklärung denkbar. Wer sich nicht selbst anzeigen will, hat sein Geld eben besser versteckt. Mit genügend krimineller Energie finden sich stets Methoden, Geld zu verschieben. Die Offshore-Konstruktionen müssen nur aufwendiger werden. Ob mit oder ohne Selbstanzeige gilt also: Steuerhinterziehung wird immer teurer.

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