Steuergeheimnis in der Schweiz:Aufklären, nicht anprangern

Ausgerechnet die Schweiz stellt mutmaßliche Steuerhinterzieher an den Pranger. Das ist absurd. Denn Steuerhinterzieher sind ganz normale Straftäter - und müssen auch so behandelt werden.

Kommentar von Bastian Brinkmann

In der Schweiz passt manches nicht zusammen. Da ist die Wut auf die deutschen Behörden, die Steuer-CDs kaufen. Bankmitarbeiter kopieren Kundendaten, die ausländische Fahnder interessieren könnten, und finanzieren mit der Bezahlung ihren Ausstieg aus der Finanzszene. Schweizer Politiker, Banker und auch Bürger verurteilen dieses Vorgehen regelmäßig als Diebstahl und Hehlerei. Die Justiz hat gegen deutsche Steuerfahnder Festnahmebefehle erlassen, wegen des Verdachts der Gehilfenschaft zum wirtschaftlichen Nachrichtendienst und der Verletzung des Bankgeheimnisses. Urlaub in den Schweizer Alpen fällt für diese Beamten also aus.

Andererseits ist da das Bundesgericht in Lausanne, das oberste Gericht der Eidgenossenschaft. Deutsche Steuerbeamte hatten eine Steuer-CD an die Schweizer Kollegen weitergegeben, denn in den Daten eines Liechtensteiner Vermögensverwalters steckten auch mutmaßliche Steuertäter aus dem Nachbarland. Die Schweizer Fahnder gingen ans Werk. Ein Betroffener wehrte sich dagegen vor Gericht. Er wollte verhindern, dass die Beamten die Informationen verwenden können. Schließlich waren sie gestohlen, das gehe doch nicht, vor allem nicht in der Schweiz. Das Bundesgericht urteilte schon 2007, aber noch heute erstaunlich: Die Schweizer Ermittler können die Daten trotzdem nutzen. Diese Entscheidung sei "eher ungemütlich für die Schweiz", schrieb damals die Neue Zürcher Zeitung.

Nun leistet sich das Land wieder so ein Ding. Doch diesmal ist der Vorgang nicht nur kurios, sondern auch ärgerlich. Die Eidgenössische Steuerverwaltung nennt auf einer staatlichen Internetseite mögliche Steuerhinterzieher aus dem Ausland mit vollem Namen. Darunter sind auch Deutsche. Bisher ist der bekannteste prominente Fall ein Nachfahre des Reichskanzlers Otto von Bismarck.

Das ist problematisch. Denn durch die offizielle Aufmachung entsteht der Eindruck, dass die Betroffenen wohl schon zu Recht auf einer solchen schwarzen Liste gelandet seien. Doch nur, weil Ermittler mal nachschauen wollen, ist noch nicht bewiesen, dass jemand wirklich mit krimineller Energie die Gemeinschaft der Steuerzahler schädigen wollte. Die Person könnte auch durch einen dummen Zufall in die Geschäfte gerutscht sein - oder völlig legal handeln und somit zu Unrecht in die Öffentlichkeit gezogen werden.

Steuerhinterzieher sind ganz normale Straftäter und sollten somit auch wie ganz normale Straftäter behandelt werden. Dazu gehört, Verdächtige nicht an einen Pranger zu stellen. Doch genau das macht die Schweizer Steuerverwaltung, indem sie Hunderte Namen veröffentlicht.

Andererseits verdienen Steuerhinterzieher auch nicht mehr Schutz als andere Kriminelle. Doch genau den bekommen sie in Deutschland. Sie dürfen ihre Taten im Dunkeln verüben und sich mit den Staat heimlich darauf einigen, dass sie nachzahlen und dafür straffrei bleiben. Solche Selbstanzeigen kennt das Strafrecht für keine anderen Kriminellen. Während anderen Tätern öffentlich der Prozess gemacht wird, darf niemand von diesen Steuerfällen erfahren.

Die Praxis trifft ausgerechnet die Bankkunden, die am meisten Wert auf Diskretion legen

Ausgerechnet die Schweiz geht allerdings zu weit, und das auch noch in ganz anderer Absicht. Denn eigentlich soll das Gesetz Bankkunden helfen, die im Land ihr Geld verstecken. Stellt eine ausländische Steuerbehörde ein Amtshilfeersuchen an die Eidgenossen, informieren diese die Betroffen. Die sollen so in die Lage versetzt werden, Widerspruch einzulegen und sich gegen die staatliche Verfolgung im Ausland zu wehren. Nur: Wenn die Schweizer Behörden die Person nicht erreichen, veröffentlichen sie seinen Namen im Amtsblatt des Landes, praktisch als letzte Chance der Kontaktaufnahme.

Das läuft bereits seit Jahren so, öffentlich bekannt wurde es erst jetzt. Der Vorgang trifft ausgerechnet diejenigen am härtesten, die am meisten Wert auf Diskretion legen. Besonders wachsame Personen hinterlassen in ihrer Schweizer Bank nämlich keine Kontaktdaten. Das Finanzinstitut kann sie nicht erreichen, um ja keine Spur auf den Kontoinhaber zu legen. Stattdessen kann ausschließlich der Kunde direkt seinen Berater erreichen. Gerne auch persönlich vor Ort, damit keine ausländische Behörde die Kommunikation abfangen kann. Es dürften wohl vor allem solche Kunden sein, die nun online zu finden sind.

In zwei Wochen stimmen die Schweizer übrigens darüber ab, ob sie eine neue Erbschaftsteuer einführen wollen, wenn mehr als zwei Millionen Franken vermacht werden. In einer ersten Umfrage spricht sich eine deutliche Mehrheit dagegen aus. Manches passt in der Schweiz eben doch zusammen.

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