Steuerflucht:Ein Steuersatz von 0,63 Prozent

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Die Europäer und andere Staaten sind sich uneins - deshalb haben Flüchtlinge vor dem Fiskus nach wie vor leichtes Spiel.

Alexander Hagelüken

Als sich Europa um eine gemeinsame Besteuerung von Zinserträgen zu kümmern begann, amtierte Hans Eichel noch als Oberbürgermeister von Kassel. Neun Jahre sowie einige Karriereschritte später wurde der SPD-Politiker im Frühjahr 1999 Bundesfinanzminister. Eichel begann, mit seinen europäischen Kollegen zu verhandeln. Es folgten lange Sitzungen und unzählige Schlagzeilen à la "Luxemburg lässt nicht nach" und "Die Schweiz bleibt bockig".

(Foto: Grafik: SZ)

Erst vier Jahre später erreichte Eichel endlich ein Ergebnis. Die EU-Staaten einigten sich darauf, Schlupflöcher bei Kapitalerträgen ihrer Bürger zu stopfen. Alle Mitgliedstaaten plus Schweiz, Liechtenstein und den britischen Kanalinseln melden nun entweder Zinsen von Ausländern an das Heimatfinanzamt oder führen eine Quellensteuer ab.

Auf dem Papier schien dies zumindest kein kleiner Erfolg zu sein - immerhin vermutet die Deutsche Steuergewerkschaft, dass die Deutschen allein in der Schweiz 150 bis 200 Milliarden Euro gebunkert haben. Fachleute bezweifeln aber, dass das europäische Gesetz viel bewirkt hat: "Wer sich von der Zinssteuer nennenswerte Einnahmen oder eine Zunahme der Steuerehrlichkeit erhofft hat, der hat sich getäuscht", resümierte Rüdiger Parsche vom Münchner Ifo-Institut bereits vergangenen Sommer, zwei Jahre nach Start des Gesetzes.

Wenig Ertrag

Das Problem ist, dass die Interessen der Staaten in Europa und der Welt so unterschiedlich sind. Österreich, Luxemburg und die Schweiz weigerten sich mit Rücksicht auf ihre Banken jahrelang, deutsche Steuerflüchtlinge zu melden. Auch jetzt scheint das System voller Löcher. Umwegkonstruktionen über Unternehmen oder Stiftungen helfen Unehrlichen, ihr Geld zu verstecken.

Das Ergebnis: Die deutschen Finanzämter nahmen weit weniger ein, als einst von Hans Eichel erhofft wurde. Für 2006 führte Österreich nur 33 Millionen Euro Zinssteuer an Deutschland ab. Aus Liechtenstein kamen 4,4 Millionen Euro. Und aus der Schweiz exakt 63 Millionen Euro. Dies entspricht angesichts der 200 Milliarden Euro, die deutsche Steuerflüchtlinge in der Schweiz angelegt haben, und einer angenommenen Rendite von fünf Prozent einem komfortablen Steuersatz von gerade mal 0,63 Prozent.

Noch schwieriger wird die Jagd auf Steuerflüchtige durch die Globalisierung. Immer neue Oasen empfehlen dem Sparwilligen ihre Dienste. Die Furcht, von Geschäftemachern in Staaten ohne funktionierendes Rechtssystem um sein Schwarzgeld betrogen zu werden, hat abgenommen.

Neben den bekannten Cayman Islands und ähnlichen Badeparadiesen gibt es neue Anbieter. Die Globalisierung sorgt für neue Banken und rechtliche Sicherheit - für den Anleger, nicht für seine Heimatregierung. So sind insbesondere aufstrebende asiatische Staaten in den Focus der Brüsseler EU-Kommission gerückt, die die Zinsrichtlinie verbessern will. Singapur etwa gilt als neuer Hort des flüchtigen Kapitals. Auch Post-Chef Klaus Zumwinkel soll überlegt haben, sein Geld dorthin umzuschichten.

Außerdem nehmen die Fachleute von Kommissar Laszlo Kovacs Ausnahmen von der Richtlinie für europäische Staaten ins Visier. Bisher gilt die Meldepflicht der Erträge ausländischer Anleger vorrangig für natürliche Personen. Kovacs' Leute wollen diese auf Unternehmen und Stiftungen ausdehnen, wie sie Zumwinkel in Liechtenstein unterhielt.

Das vornehmste Problem Kovacs' ist ein typisch europäisches. Für alle gesetzlichen Veränderungen benötigt der wackere Steuerkommissar aus Ungarn Einstimmigkeit aller mittlerweile 27 Mitgliedstaaten. Und diese Einigkeit ist nur sehr schwer zu organisieren. Noch komplexer wird es, wenn er Staaten außerhalb Europas zur Kooperation bewegen will. Mehrere asiatische Staaten haben Kovacs bereits freundlich ausrichten lassen, was sie von den Wünschen des Kommissars aus Brüssel halten: überhaupt nichts.

© SZ vom 16.2.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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