Steuerfahndung:Durchsuchungen bei Amazon

Einzelne Händler sollen Umsatzsteuer hinterzogen haben, deshalb ist der US-Konzern ins Visier der deutschen Steuerfahndung geraten.

Von Stefan Mayr, München/Stuttgart

Der US-Konzern Amazon ist ins Visier der deutschen Steuerfahnder geraten. Bereits im Sommer gab es Durchsuchungen in mehreren Logistikzentren wie auch in der Deutschland-Zentrale in München. Die Fahnder des Finanzamtes Reutlingen gehen dem Verdacht nach, dass Händler auf der Handelsplattform Amazon Marketplace Umsatzsteuer hinterziehen.

Amazon selbst wird der Steuerbetrug nicht vorgeworfen. Als Beschuldigter wird ein Geschäftsmann aus China geführt. Allerdings steht im Raum, dass das Unternehmen die illegale Praxis zumindest duldet. Amazon bietet den Verkäufern einen Rundum-Service an: Ihre Ware wird gelagert und ausgeliefert, auch die Bezahlung wickelt Amazon ab. Nur eine Aufgabe überlässt das Unternehmen den Verkäufern: Die Umsatzsteuer müssen sie selbst abführen. Juristisch könnte das schlimmstenfalls als Beihilfe zu Steuerhinterziehung gewertet werden. Doch Amazon sieht die Verantwortung bei den Händlern. Diese seien als "eigenständige Unternehmen" selbst verpflichtet, die Steuergesetze zu beachten. Amazon habe "keine Befugnis, ihre Steuerangelegenheiten zu überprüfen".

Die deutschen Behörden gehen neuerdings verstärkt gegen Umsatzsteuer-Betrug im Online-Handel vor. Um die Schlupflöcher im Internet zu schließen, wurde eigens eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gegründet. Mit weiteren Durchsuchungen bei Online-Händlern und -Dienstleistern darf also gerechnet werden.

Eine ähnliche Art des Steuerbetrugs will die Europäische Kommission künftig verhindern. Am Donnerstag hat sie eine Reform der Umsatzsteuergesetze im Internethandel vorgeschlagen. Ihr zufolge soll künftig die Steuerfreiheit bei Lieferungen unter einem Wert von 22 Euro wegfallen. Diese Schwelle nutzen nach Angaben des Handelsverbands Deutschland (HDE) viele nichteuropäische Anbieter "illegal" aus, indem sie den Warenwert "betrügerisch niedriger angeben". Der HDE begrüßt die Vorschläge aus Brüssel, lässt aber auch verlauten: "Es könnte mehr geschehen."

Die EU-Kommission geht davon aus, dass Europas Steuerbehörden durch betrügerische Onlinehändler fünf Milliarden Euro pro Jahr entgehen. Bis 2020 könnte der Schaden gar auf sieben Milliarden jährlich anwachsen, rechnet die Kommission angesichts steigender Online-Umsätze hoch. Deshalb hat sie die neuen Steuergesetze auf den Weg gebracht. Die Vorschläge müssen nun vom Europäischen Parlament und vom Ministerrat angenommen werden.

Der Konzern will einen Supermarkt eröffnen, in dem es keine Kassen mehr gibt

Über die Durchsuchungen hatte zuerst das Handelsblatt berichtet. Auf Anfrage bestätigte Amazon die Aktionen nicht. Mitteilungsfreudiger ist der Konzern aus Seattle über seine eigenen neuen Projekte: So hat das Unternehmen am Dienstag auch in Deutschland ein umfangreiches Angebot für Geschäftskunden gestartet. Der Dienst Amazon Business richtet sich an Unternehmen vom Handwerker über Universitäten bis zur AG. Sie können aus mehr als 100 Millionen Produkten wählen - viele davon werden von externen Händlern über die Marketplace-Plattform angeboten.

In Seattle will Amazon 2017 einen Supermarkt eröffnen, in dem es weder Kassen noch Warteschlangen gibt. Alles, was der Kunde aus dem Laden trägt, wird per automatischer Lastschrift bezahlt.

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