Süddeutsche Zeitung

Steuererklärung:App statt Steuerberater

Lesezeit: 3 min

Der Nürnberger IT-Dienstleister Datev bringt eine Steuersoftware für Privatleute auf den Markt - und macht damit auch seinen bisherigen Stammkunden Konkurrenz. Das löst Kritik aus.

Von Andreas Jalsovec, München

Zur Steuererklärung gehört offenbar eine Espressotasse: Gleich mehrfach findet man solche Tassen auf der Internetseite der Einkommensteuer-Software "Klartax" - stets in Begleitung einer entspannten jungen Dame, die gerade am Smartphone oder Laptop ihre Steuer erledigt. "Gönnen Sie sich ein entspanntes Steuerprogramm", heißt denn auch einer der Werbesprüche auf der Homepage, mit der der Nürnberger IT-Dienstleister Datev seit Anfang des Jahres sein neuestes Produkt an die Kunden bringen möchte.

Nicht jeder allerdings dürfte den Start der Steuersoftware so entspannt sehen wie die verzückt dreinblickenden Werbefiguren im Internet. Denn dass gerade die Datev eine Software herausbringt, mit der Privatleute laut Werbeversprechen einfach und stressfrei ihre Steuererklärung machen können, ist pikant. Das 1966 gegründete Unternehmen ist eine eingetragene Genossenschaft. Den überwiegenden Anteil der etwa 40 000 Genossen machen die Steuerberater aus. Daneben sind auch Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer Mitglieder der Datev. Steuerberater gehören auch zu den wichtigsten Kunden der Datev. Für einige von ihnen könnte das Programm nun zur Konkurrenz werden.

Es habe im Vorfeld der Produkteinführung "ganz unterschiedliche Einschätzungen zu der Steuersoftware gegeben", sagt Jochen Lüdicke, Präsident des Bundesverbands der Steuerberater. Vor allem bei Steuerberatern mit kleinen Kanzleien, die für Privatleute die Steuererklärung vorbereiten und erstellen, sei die Frage aufgekommen: "Ist das nun ein Angriff auf unser Geschäft - oder tatsächlich eine sinnvolle Ergänzung?"

Als solche nämlich will die Datev die neue Software verstanden wissen. Klartax sei bewusst so gestaltet, dass sich damit vor allem "einfache Steuerfälle zeitgemäß über eine App erledigen lassen", sagt ein Unternehmenssprecher. Man wolle damit vor allem jungen Leuten, die schon mit dem Smartphone aufgewachsen sind, ein "Angebot an die Hand geben, mit dem sie ihre Steuer bequem erledigen können". Gleichzeitig jedoch gebe es die Möglichkeit, über die App mit einem Steuerberater in Kontakt zu treten, falls die Materie doch einmal komplizierter werde.

Damit erschließe man den Steuerberatern als Mitglieder der Genossenschaft "ein zusätzliches Potenzial an Mandanten", sagte Datev-Chef Robert Mayr jüngst dem hauseigenen "Datev-Magazin". Berater und Mandant seien dabei "stets nur wenige Klicks voneinander entfernt". Der Kontakt zwischen beiden soll über eine von der Datev eingerichtete digitale Plattform zustande kommen, auf der derzeit gut 4200 Steuerberater zu finden sind. "Das bietet auf dem Markt für Steuersoftware so noch niemand", meint der Unternehmenssprecher.

Ansonsten gibt es auf diesem Markt aber für fast jeden Geschmack etwas. Gut ein Dutzend Anbieter buhlen mit ihren Einkommensteuer-Programmen um die Gunst der Steuerpflichtigen (siehe Kasten). Zudem bieten die Steuerverwaltungen seit 20 Jahren das Programm "Elster" an, mit dem man die Steuererklärung am PC erstellen und online einreichen kann. Gut 23 der etwa 40 Millionen Einkommensteuerpflichtigen tun das mittlerweile.

Das habe den Markt für Steuerberater durchaus verändert, sagt Verbandspräsident Jochen Lüdicke, der selbst als Steuerberater tätig ist: "Natürlich haben einige der Kollegen dadurch im Laufe der Zeit Mandanten verloren." Welche Auswirkungen allerdings die Einführung der Datev-Software haben werde, müsse man abwarten. Längst nicht für jeden sei die Zielgruppe, die die Datev damit erschließen wolle, relevant: Steuerberater etwa, die in Unternehmen arbeiteten, für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder in großen Kanzleien hätten andere Kunden als jene, auf die die Software zielt. Bei den übrigen Steuerberatern ergebe sich zumindest die Chance, über das Programm neue Kunden zu gewinnen. "Ich halte den Ansatz der Datev daher für richtig", sagt Lüdicke.

Andere sehen es skeptischer. Für den Berliner Steuerberater Oliver Hagen etwa begibt sich die Datev mit dem Programm auf den falschen Weg. "Als Premium-Anbieter Kunden einzusammeln, bei denen es um einfachste Steuererklärungen geht - das halte ich für wenig sinnvoll", sagt Hagen. Stattdessen empfiehlt er der Datev, sich stärker um Firmenkunden zu kümmern und im Geschäft mit ihnen die Digitalisierung voranzutreiben: "Ziel muss es sein, Business-Kunden mit effizienten Dienstleistungen zu versorgen - und nicht eine Klientel zu umwerben, die gar nicht zur Datev passt." Ohnehin lehnten viele Steuerberater solche einfachen Fälle ab, "weil sie dafür gar keine Zeit haben". Der Düsseldorfer Steuerberater Björn Balluff glaubt dagegen schon, dass die Datev-Software "kurzfristig einen negativen Effekt" haben könne: "Wer das Programm nutzt, der kommt erst einmal nicht mehr in die Kanzlei." Gleichzeitig sei jedoch die Entwicklung hin zur digitalen Steuererklärung nicht aufzuhalten. "Da ist es doch besser, wenn man als Anbieter mit an Bord ist, anstatt anderen das Feld zu überlassen." Zudem ist Balluff überzeugt, dass die Mandanten bei komplizierteren Sachverhalten doch wieder einen Steuerberater aufsuchen - "etwa wenn es um die steuerliche Behandlung von Vermietungen oder um Erbschaften geht." Ähnlich sieht es Verbandspräsident Lüdicke: "Auch eine neue Software macht ja eine Steuererklärung nicht automatisch zu einem Vergnügen", sagt er. "Da kann es schon sein, dass der eine oder andere sich doch lieber einen Steuerberater sucht."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4762708
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.01.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.