Süddeutsche Zeitung

Steuerentlastungen:Söder attackiert Schäuble

  • Markus Söder geht auf Konfrontation zu Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Bayerns Finanzminister fordert angesichts hoher Einnahmen des Fiskus nun Steuerentlastungen.
  • Söder kritisiert zudem Schäubles Pläne, die Erbschaftsteuerregelungen für Unternehmer deutlich zu verschärfen.
  • Der bayerische Finanzminister sorgt sich um den steuerpolitischen Markenkern von CDU und CSU.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) hat die Steuerpolitik der Bundesregierung scharf kritisiert und eine umfassende "Entlastungsoffensive" verlangt. Angesichts ständig steigender Staatseinnahmen "muss jetzt Schluss sein mit dem steuerpolitischen Stillstand", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Konkret forderte er eine rasche Beseitigung der sogenannten kalten Progression, die steuerliche Förderung von Wagniskapital, großzügige Abschreibungsregeln für Infrastrukturinvestitionen und auf längere Sicht eine Senkung der Steuersätze für mittlere Einkommen. Außerdem müsse Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) seine Pläne für eine Verschärfung der Erbschaftsteuerregeln umgehend aufgeben.

Damit ist Streit zwischen den Ressortchefs in München und Berlin programmiert - zumal es Söder nicht nur um die Sache geht. Vielmehr ist Schäuble aus seiner Sicht auch maßgeblich mitverantwortlich dafür, dass die Steuerpolitik kaum noch zum Markenkern der Unionsprogrammatik gezählt werden kann. "Wir diskutieren ja gar nicht mehr über Steuerpolitik - auch in der Union nicht", klagte der CSU-Minister. Es gehe daher auch um das Profil von CDU und CSU. "Es kann doch nicht sein, dass der einzige steuerpolitische Vorschlag der Union eine Verschärfung der Erbschaftsteuer ist. Wenn der SPD-Vorsitzende vor einer zu hohen Belastung der Wirtschaft durch den CDU-Finanzminister warnt, dann ist das verkehrte Welt."

Der Bundesfinanzminister hatte Steuerleichterungen erst kürzlich abgelehnt

Auch inhaltlich werden Schäuble Söders Ideen nicht gefallen, denn er hatte baldigen Steuererleichterungen erst vor wenigen Tagen eine klare Absage erteilt. In der Koalition sei vereinbart, dass etwaige Haushaltsüberschüsse investiert und nicht für andere Dinge ausgegeben würden, so der Christdemokrat. Genau hier jedoch hakt Söder ein: Er plädiert dafür, dass der Staat das Gros des Geldes nicht selbst investiert, sondern damit Privatinvestitionen steuerlich fördert. Wegen der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) sei privates Geld im Überfluss da. "Wir müssen Anreize finden, dass dieses viele Geld endlich investiert wird. Und die wirksamsten Anreize gehen über die Steuer", sagte er.

Konkret sprach sich der Minister für die Rückkehr zur sogenannten degressiven AfA aus. Dieses Abschreibungsmodell ist bei Firmen sehr beliebt, denn es ermöglicht ihnen, die Kosten für neue Gebäude, Maschinen oder Geräte schon in den ersten Jahren nach Bau oder Anschaffung zu großen Teilen steuerlich abzusetzen. "Wir brauchen zum Beispiel mehr Wohnraum in Deutschland - und das geht am besten über die Wiedereinführung der degressiven AfA. Das Gleiche gilt für die Digitalisierung der mittelständischen Wirtschaft, die wir ebenso dringend benötigen", so Söder.

Darüber hinaus will der Minister dafür sorgen, dass Firmengründer leichter Geldgeber finden. Jemand, der Wagniskapital gebe, müsse dieses steuerlich geltend machen können und die Steuerersparnis auch dann behalten dürfen, wenn er mit Verlust wieder aus dem Betrieb aussteige. Umgekehrt dürfe bei einem Börsengang des Unternehmens der Gewinn des Investors nicht von der Steuer aufgefressen werden.

Zur Beseitigung der kalten Progression soll die Bundesregierung künftig alle zwei Jahre exakt ausweisen, wie hoch die Steuerzahler zusätzlich belastet wurden. "Dieser Betrag sollte dann erstattet werden", sagte Söder. Kalte Progression entsteht, wenn die Steuerlast eines Arbeitnehmers nach einer Lohnerhöhung steigt, obwohl das Gehaltsplus durch höhere Verbraucherpreise verschlungen wird. Schäubles Argument, das Problem existiere wegen der geringen Inflation derzeit praktisch nicht, ist aus Sicht des bayerischen Kollegen falsch. "Und wenn es den Staat wirklich so wenig kostet, dann lässt sich das Gesetz ja derzeit besonders leicht umsetzen", sagte er.

Auch den sogenannten Mittelstandsbauch im Einkommensteuerrecht will Söder angehen - wenn auch wegen der hohen Kosten von bis zu 30 Milliarden Euro pro Jahr erst auf längere Sicht. Hinter dem Begriff verbirgt sich ein Knick im Steuertarif, der dafür sorgt, dass die Steuerlast ausgerechnet bei kleinen und mittleren Einkommen überdurchschnittlich stark ansteigt.

Söder forderte Schäuble zudem auf, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember einen neuen Vorschlag zur Reform der Erbschaftsteuer zu unterbreiten. Selbst der frühere Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier halte das bisherige Konzept des Bundesfinanzministers für völlig überzogen. "Es muss endlich ein vernünftiger Vorschlag auf den Tisch, der Arbeitsplätze schont und Familienunternehmen im Lande hält", sagte Söder.

Aus Sicht des Landesministers muss die große Koalition in Berlin in den nächsten Monaten ihren gesamten Fokus verschieben. "Wir haben im letzten Jahr in der Sozialpolitik viele Gerechtigkeitslücken geschlossen. Jetzt kommt es darauf an, endlich die Leistungsgerechtigkeit wieder in den Mittelpunkt zu rücken", sagte er. "Das bedeutet: Wer hart arbeitet und etwas leistet, muss von seinem Verdienst mehr behalten können." Zusammen genommen könnten Söders Pläne den Staat einen zweistelligen Milliardenbetrag kosten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2448728
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.04.2015/jasch
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.