Süddeutsche Zeitung

Steuereinnahmen:Griechen verstecken Millionen in Steueroasen

Der Staat braucht eigentlich jeden Cent. Doch zahlreiche Unternehmer und Politiker in Griechenland haben ihr Geld lieber in Offshore-Firmen versteckt. Die sind jetzt zwar aufgeflogen - doch die Aufklärung wird schwierig.

Von Harry Karanikas und Christiane Schlötzer, Athen

Die Firma mit einer Adresse im Athener Zentrum trägt einen Namen, der Programm ist: "Inevitable Wealth Ltd", auf Deutsch: Unvermeidlicher Reichtum. Im selben Gebäude residiert auch "Gipper Services Limited". Die griechische Zeitung Ta Nea druckte am Wochenende eine Liste mit 107 Offshore-Firmen, deren griechische Besitzer sich lieber hinter Phantasienamen verstecken als den Steuerbehörden ihr Gesicht zu zeigen (hier als PDF). Anonymität ist eine der Säulen der Offshore-Wirtschaft.

Die Liste ist Teil des Datensatzes aus den Offshore-Leaks, der dem Internationalen Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) in Washington zugespielt worden ist und auch von der Süddeutschen Zeitung ausgewertet wird.

Nach den Recherchen sind nur vier der fraglichen 107 Offshore-Firmen den griechischen Steuerbehörden bekannt. Die Geheimgesellschaften haben sich im teuren Athener Viertel Kolonaki in Laufweite des Parlaments ebenso niedergelassen wie am Hafen von Piräus. Sie werden für Schiffs-, Immobilien- und Aktienkäufe genutzt. Auch Politiker sind unter jenen, die "illegale Bereicherung" in Briefkastenfirmen versteckten, wie es George Kanellopoulos, Ex-Chef der griechischen Finanzpolizei, ausdrückt.

Es gibt schillernde Geschichten: So wurden Offshore-Gesellschaften dazu benutzt, eine der größten Yachten der Welt zu kaufen und zu renovieren, die Christina O. Die gehörte einst dem Reeder Aristoteles Onassis. Andere Tarnfirmen sind mit dem Verteidigungssektor verbunden und machen Geschäfte mit dem Staat.

Griechen sollen eigentlich Steuern auf ihr Einkommen bezahlen, wo immer es anfällt. Theoretisch gilt dies also auch für Offshore-Firmen, die in Steuerparadiesen registriert sind. Aber die Gesetzgebung in Griechenland ist außerordentlich komplex, Experten kennen viele Schlupflöcher. Einige verteidigen Offshore-Firmen als legitimes Mittel für Joint Ventures von Investoren aus mehreren Nationen.

Kanellopoulos sagt, schon 1998 sei einem Team im Athener Finanzministerium die enorme Verbreitung griechischer Offshore-Interessen vom Pazifik bis zu den Kanalinseln aufgefallen. Zuvor seien solche Konstruktionen nur einigen Anwaltskanzleien bekannt gewesen. 1999 habe sein Team die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) daher gebeten, ihre Mitglieder aufzufordern, keine griechischen Offshore-Gesellschaften mehr zu beherbergen. Diese Bitte sei abgelehnt worden.

Die massive Steuerhinterziehung in Griechenland ist einer der Gründe für die aktuelle Finanzkrise. Nach Angaben des Athener Finanzministeriums fiel das ohnehin geringe Steueraufkommen aus griechischen Offshore-Firmen in den vergangenen zwei Jahren noch einmal um 90 Prozent - von 3,4 Millionen Euro im Jahr 2010 auf 345.000 Euro im Jahr 2012.

Die Britischen Jungferninseln, die etwa 500.000 aktive Offshore-Gesellschaften mit Besitzern aus aller Welt beherbergen, sind auch bei Griechen ein Favorit. John Paul Papanikolaou, einst Gast auf der Onassis-Yacht, hat sich aber für die Cook Inseln im Südpazifik entschieden, als er im Jahr 2000 mit dem irischen Anwalt Ivor Fitzpatrick die Firma Christina GP Limited registrierte. Später nahmen sie noch einen Partner dazu, und weil man sich stritt, landete die Sache in London vor Gericht. Papanikolaou starb 2010, die Gesellschaft tauchte nie im Offshore-Register des Athener Ministeriums auf. Die restaurierte Christina O. ist immer noch eine der teuersten Charter-Yachten der Welt.

Im April 2012 wurde Ex-Verteidigungsminister Akis Tsochatzopoulos wegen des Verdachts auf Korruption verhaftet, der Prozess soll noch in diesem Monat beginnen. Der Vorwurf: Der Politiker soll über Offshore-Firmen illegal Millionen erhalten haben. Die ICIJ-Daten zeigen auch, dass ein Auftragnehmer der griechischen Luftwaffe eng mit Offshore-Gesellschaften verbunden ist, die auf den Britischen Jungferninseln registriert sind.

Interoperability Systems International Hellas S.A. ist eine dieser Gesellschaften. Sie war 2003 an einem 190-Millionen-Euro-Auftrag zur Ausstattung griechischer F-16-Kampfflugzeuge beteiligt. Die Firma hat auch Hard- und Software an die US-Marine geliefert. 2003 gehörten 33 Prozent von ISI Hellas der Bounty Investments Ltd., die wiederum Anteilseigner einer anderen Offshore-Firma war. Darüber gab es noch einen dritten Schleier. Ein Anwalt von ISI Hellas sagte, Bounty Investments habe "alle Verpflichtungen gegenüber den griechischen Steuerbehörden erfüllt". Experten meinen, Firmen im Verteidigungsbereich sollten sich grundsätzlich nicht in trüben Offshore-Gewässern tummeln.

Die Offshore-Welt spiegelt auch die engen Bindungen zwischen Griechenland und Zypern. 2007 schuf eine zyprische Anwaltskanzlei die Karpathia Ltd. Einziger Anteilseigner: Apostolos Vakakis, Chef des bedeutenden griechischen Einzelhandels- Konzerns Jumbo SA. Karpathia kaufte 2007 ein großes Aktienpaket von Jumbo für 36,7 Millionen Euro und machte beim Verkauf einen Gewinn von 33 Millionen Euro. Die Käufer blieben unbekannt. Vakakis wollte sich gegenüber ICIJ nicht näher äußern. Er betonte lediglich, er habe sich an die griechischen Gesetze gehalten.

Haris Theocharis, Griechenlands Generalsekretär für Staatseinnahmen, ein Amt, das erst jüngst geschaffen wurde, sagte zu, die ICIJ-Daten zu prüfen und "bei illegalen Aktivitäten Konsequenzen zu ergreifen". Die Aufklärung dürfte nicht leicht werden. Viele Briefkastenfirmen existieren nur kurze Zeit und werden rasch durch neue ersetzt. Das Haus, in dem "Inevitable Wealth Ltd" in Athen seinen Sitz haben soll, wirkt mittlerweile unbewohnt.

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SZ vom 08.04.2013/bbr
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