Süddeutsche Zeitung

Steuereinnahmen:Steuerprüfer in NRW treiben 6,3 Milliarden Euro ein

  • Der Einsatz von Betriebsprüfern macht sich bezahlt: Allein Nordrhein-Westfalen nahm durch seine Prüfer zuletzt 6,3 Milliarden Euro zusätzlich ein.
  • Allerdings könnten die Einnahmen noch deutlich höher sein. Laut Steuergewerkschaft fehlen bundesweit 15 000 Betriebsprüfer.

Von Katharina Kutsche

Immer wieder versuchen deutsche Betriebe und Einzelpersonen, etwa durch Abschreibungen oder Verlustmeldungen ihre Steuerlast zu drücken - und das im großen Umfang, wie die jährlichen Ergebnisse der Betriebsprüfungen zeigen: Rund 6,3 Milliarden Euro zusätzliche Steuern haben allein die Außenprüfer in Nordrhein-Westfalen (NRW) im vergangenen Jahr festgesetzt, 600 Millionen Euro mehr als im Vorjahr.

Zwar betont man im Düsseldorfer Finanzministerium, dass dieser Betrag nicht vollständig ins Staatssäckel fließt. In manchen Fällen verrechnen die Betriebsprüfer ihre Forderungen mit Überzahlungen der geprüften Betriebe. In anderen Fällen klagen die Firmen gegen den Steuerbescheid und verringern dadurch die festgesetzte Schuld. Trotzdem ist die Höhe der Summen enorm, denn die NRW-Betriebsprüfer haben 2015 außerdem Verluste in Höhe von 7,4 Milliarden Euro gekürzt, die von den geprüften Betrieben gar nicht erst hätten geltend gemacht werden dürfen.

Es fehlen Tausende Steuerprüfer

Die Gründe für die hohen Abweichungen sind unterschiedlich, sagt NRW-Finanzminister Norbert-Walter Borjans (SPD): "Aufgefallen sind beileibe nicht nur Schummeleien, in vielen Fällen wurden eher strittige Fragen geklärt. Dennoch macht das Mehrergebnis deutlich: Betriebsprüfung ist ein unverzichtbares Instrument für eine gerechte Besteuerung."

Das mit der gerechten Besteuerung ist aber nicht so leicht. Um alle deutschen Betriebe regelmäßig untersuchen zu können, fehlen bundesweit 15 000 Betriebsprüfer, sagt Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft: "Mittelgroße Betriebe werden im Schnitt nur alle 15 Jahre geprüft, kleine und Kleinstbetriebe sogar nur alle 70 bis 100 Jahre." Jeder Arbeitnehmer und inzwischen auch jeder Rentner müsse jährlich seine Einkünfte gegenüber dem Fiskus offenlegen, während sich mittelgroße Betriebe 14 Jahre lang selbst besteuern und erst im Folgejahr geprüft werden. "Ich empfinde das als Lücke in der Steuergerechtigkeit", so Eigenthaler.

Die Gewerkschaft rechnet vor: Je mehr Personal, desto mehr Steuereinnahmen

Dabei liegt der Zusammenhang zwischen dem Personaleinsatz der Länder und ihren Ergebnissen auf der Hand: je mehr Prüfer, desto mehr Einnahmen. Und die Finanzbeamten sorgen quasi selbst für ihre Bezüge. Eigenthaler erklärt, dass ein Betriebsprüfer jährlich etwa 75 000 Euro koste - aktives Gehalt, Altersversorgung und Büroausstattung eingerechnet. Durch seine Arbeit kommen allerdings im Bundesdurchschnitt 1,5 Millionen Euro pro Jahr in die Landeskassen.

In NRW, dem bevölkerungsreichsten Bundesland, sind mehr als 4600 Beamtinnen und Beamte mit der Überprüfung der Steuererklärungen beschäftigt - unabhängig von den Steuerfahndern, die für die Verfolgung von Straftaten wie der Steuerhinterziehung zuständig sind. Jeder Einzelne setzte im Schnitt 1,7 Millionen Euro nachträglich fest. In Bayern lagen die Einnahmen bei 1,5 Millionen Euro pro Prüfer, im Hamburg bei 1,2 Millionen. "Die Länder", sagt Finanzminister Borjans, "brauchen eine konsequente Betriebsprüfung, um gleiche Wettbewerbsbedingungen unter den Unternehmen zu schaffen."

Das Aufstocken des Personals im Finanzamt sei für Politiker unattraktiv, sagt Eigenthaler, schließlich werde niemand gern steuerlich geprüft. Und dem Berufsstand selbst fehle es ebenfalls an Attraktivität. Doch dadurch fehlten eben auch "etwa 50 Milliarden Euro im System", so der Gewerkschafter, Geld, dass für die Flüchtlingsintegration und die Polizei dringend benötigt werde: "Wenn sich da manche in die Büsche schlagen können, ist das nicht gerecht."

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SZ vom 05.08.2016
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