Steuerdumping:Warum die EU eine Union werden muss

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Sie bieten Facebook, Apple und anderen großen Firmen lächerliche Steuersätze: Staaten wie Irland, Luxemburg und die Niederlande haben sich auf solche Lockaktionen spezialisiert. Doch bei diesem ruinösen Steuerwettbewerb verlieren alle Länder. Europas Regierungen sollten nicht auf ein Eingreifen der G 20 warten - sondern selbst Druck auf die meist kleineren Mitgliedsstaaten ausüben.

Ein Kommentar von Alexander Hagelüken

In der ökonomischen Theorie ist alles so schön. Staaten sollen doch bitteschön in Wettbewerb treten, um mit möglichst niedrigen Steuern um Firmen und Bürger zu buhlen. So bleiben die Steuersätze erträglich, und raffgierige Regierungen werden daran gehindert, Geld mit Ausgaben zu verplempern, die die Bevölkerung nicht will. Soweit die Theorie. In der Praxis läuft es anders: Europas Regierungen liefern sich seit Jahren einen ruinösen Wettbewerb, bei dem am Ende alle verlieren - außer multinationale Konzerne bevorzugt amerikanischer Provenienz wie Facebook oder Apple, die trotz dicker Gewinne kaum Steuern zahlen.

Die Finanzminister der G-20-Staaten kündigen jetzt an, sich im Herbst über ein Konzept zu beugen, dass solche Gewinnverschiebungen limitiert. Das Problem allerdings ist viel älter. Und Europas Regierungen sollten auch nicht auf die ungewissen Mechanismen der G-20-Gemeinschaft warten, falls die mal wieder nur Leerlauf produzieren sollte. Steuerdumping kann in Europa angegangen werden - und das sollte es auch.

Die Entwicklung ist fatal. Einige Staaten haben sich darauf spezialisiert, Firmen in bestimmten Fällen mit lächerlichen Steuersätzen anzulocken. Das Kalkül ist: Das eigene Finanzamt bekommt nicht viel, aber die Masse macht's, wenn die Firma ihre Gewinne in großen EU-Staaten wie Deutschland oder Frankreich erzielt, dort aber nicht versteuern muss - obwohl es die Infrastruktur dieser Länder nutzt und mit ihren Bürgern Geld verdient.

Auch die Schweiz hat sich dem Druck aus EU und USA gebeugt

Zu den Dumpingakteuren zählen EU-Gründungsmitglieder wie die Niederlande und Luxemburg, aber auch Steueroasen, die der britischen Krone unterstehen. Die Geschädigten dieser Lockaktionen sollten mehr Energie verwenden, um Druck auf die meist kleineren Mitgliedsstaaten auszuüben - und eine EU-weite Mindeststeuer auf Firmengewinne von auf jeden Fall 20 Prozent durchzusetzen.

Ja richtig, Steuerpolitik kann in der Europäischen Union nur einstimmig beschlossen werden. Deshalb dauern Veränderungen in diesem Bereich viel länger als in der Energie- oder Euro-Politik. Vor allem angelsächsische Staaten blockieren mit Hingabe alles. Das heißt aber nicht, dass Veränderungen nicht möglich sind. Jahrelang behaupteten Skeptiker, die Schweiz werde niemals die Steuerflucht reicher EU-Bürger stoppen. Inzwischen hat sich die Schweiz dem Druck aus Amerika und Europa gebeugt. Und das Land ist nicht mal Mitglied in der Europäischen Union. Es kommt also darauf an, genug Energie gegen das Steuerdumping aufzuwenden - dann lässt sich auch etwas ändern.

Vollends absurd ist es, dass auch EU-Teilnehmer Steuerdumping betreiben, die gleichzeitig ihre Entwicklung mit Brüsseler Subventionsmilliarden finanzieren, weil sie ach so arm sind. In Wahrheit heißt das: Statt Firmen zu besteuern und so selbst das nötige Geld für ihre Ausgaben zu beschaffen, lassen sich die Länder von ihren EU-Nachbarn aushalten - von jenen, denen sie die Firmensteuern entziehen. Ein doppeltes Ärgernis.

Der Musterfall für dieses Steuerdumping ist das einstige Armenhaus Irland, dass sich seit seinem EU-Beitritt vor 40 Jahren von den europäischen Partnern finanzieren ließ - und gleichzeitig US-Konzerne mit niedrigen Steuern anlockt. Nach der Finanzkrise fielen die Iren wegen ihres überdimensionierten und unregulierten Bankensektors auch noch den Euro-Partnern zur Last, die das Land bis heute unterstützen.

Damals beim irischen Hilfsantrag wurde die erste Chance verpasst, die irischen Dumpingsteuern zu verbieten: keine Mindeststeuer, keine Hilfe. Auch jetzt ist es noch nicht zu spät, um den Iren ihr Steuerdumping wegzunehmen.

Wer Gewinne macht, soll Steuern zahlen

Die EU sollte endlich eine echte Union werden: Eine Gemeinschaft von Staaten, die sich nicht gegenseitig nötige Steuereinnahmen zur Finanzierung ihrer Ausgaben wegkonkurrieren. Dazu gehört eine Vereinbarung von Mindeststeuern, die für Gerechtigkeit sorgen: Damit nicht Europas Bürger durch zusätzliche Steuern oder Schulden die Lücken füllen müssen, die Geschenke für die Aktionäre von Google oder Amazon aufreißen.

Ja, Steuerwettbewerb ist in begrenztem Umfang sinnvoll, um ausufernde Staatsausgaben zu vermeiden - so weit hat die ökonomische Theorie recht. Aber nicht in dem Ausmaß, das heute in Europa (und anderswo) praktiziert wird. Wer Gewinne macht, soll Steuern zahlen: Dieses Prinzip kann Europa auch in einer globalen Welt durchsetzen. Wer seine iPhones an EU-Bürger verkaufen und sie auf Facebook als Nutzer haben will, der sollte die Europäer nicht verärgern.

© SZ vom 19.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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