Süddeutsche Zeitung

Steuerbetrug:Modell Minigolf

  • Die HSH Nordbank war jahrelang Steuerhinterziehern zu Diensten.
  • Jetzt bekommen die Steuerhinterzieher ihre Strafe, und die HSH ist ebenfalls dran: Sie muss 22 Millionen Euro bezahlen.

Von Klaus Ott

Minigolf Investments, das klingt nach einer harmlosen, geradezu biederen Geldanlage. Doch das verlockende Angebot, das die HSH Nordbank einem ausgewählten Kunden präsentierte, war alles andere als unverfänglich. Es war kriminell.

Die Staatsbank, die vor allem der Hansestadt Hamburg und dem Land Schleswig-Holstein gehört, war jahrelang Steuerhinterziehern zu Diensten. Die HSH vermittelte über ihre frühere Filiale in Luxemburg reihenweise Briefkastenfirmen aus Panama, in denen reiche Klienten ihr Vermögen vor dem Fiskus verstecken konnten. Gesellschaften mit typisch deutschen Namen wie Minigolf Investments, aber auch exotischen Titeln. Caraban, Fossello, Malvaro oder Noguera, um nur einige wenige Beispiele zu nennen.

Jetzt sind die Briefkastenfirmen aufgeflogen, die Steuerhinterzieher bekommen ihre Strafe, und die HSH ist ebenfalls dran. Die Landesbank aus dem Norden muss etwas mehr als 22 Millionen Euro zahlen. Darauf haben sich die in dieser Causa ermittelnde Staatsanwaltschaft Köln und die HSH nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR jetzt verständigt. Bis der Bußgeld-Bescheid aus Köln wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in der Bankzentrale in Hamburg vorliegt, wird es noch etwas dauern. Die Formalien brauchen ihre Zeit. Aber die Sache selbst ist klar. Der HSH-Vorstand will den Aufsichtsrat bei dessen nächster Sitzung am 27. August über den Deal mit den Kölner Strafverfolgern informieren. Es ist ein weiteres Kapitel in der schon ziemlich langen Skandalchronik des öffentlichen Geldinstituts aus dem Norden.

Der Nächste bitte

Die HSH Nordbank ist bereits das zweite große Geldinstitut, das sich mit den nordrhein-westfälischen Behörden auf den schnellen Abschluss eines Steuerverfahrens verständigt und zahlt. Vor ein paar Wochen handelte bereits die Hypo-Vereinsbank (HVB) einen Deal aus. Die HVB hatte früher ebenfalls via Luxemburg Briefkastenfirmen in Panama vermittelt, mit so schönen Namen wie Citrone Overseas oder Tessa Rossa. Als erste geständige Bank kam die HVB mit weniger als 20 Millionen Euro recht günstig weg. Für die HSH sind jetzt etwas mehr als 22 Millionen fällig, die Tarife dürften weiter steigen.

Das gilt vor allem für die Commerzbank, bei der die Kölner Staatsanwaltschaft bislang am längsten und intensivsten ermittelt, mit der es aber offenbar noch keine Einigung gibt. Internen Unterlagen zufolge hatte die Luxemburger Niederlassung der Commerzbank ihre Kunden besonders umfangreich mit Briefkastengesellschaften versorgt und auch sonst mutmaßlich geholfen, Steuern zu hinterziehen. Neben der HSH, der HVB und der Commerzbank sind dem Vernehmen nach mindestens drei weitere große Institute aus Deutschland von den Ermittlungen betroffen, darunter zwei Landesbanken. Eines dieser Institute soll seine Vergehen bereits zugegeben haben und mit der Staatsanwaltschaft Köln kooperieren, ebenso wie HVB, HSH und teilweise auch die Commerzbank.

Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) erklärte am Dienstag, wenn immer mehr Banken mit ihren dunklen Kapiteln abschließen wollten, sei das "anerkennenswert, mehr aber auch nicht". Mit den aktuellen Bußgeldfällen werde sichtbar, wie weit die Steuerhinterziehung und die Beihilfe hierzu in Deutschland als "Geschäftsmodell" verbreitet gewesen seien. Die Finanzbranche hole jetzt lediglich das nach, was sie schon immer hätte machen müssen: verantwortungsvoll handeln. Walter-Borjans hatte vor einem halben Jahr, als die dubiosen Luxemburger Geschäfte deutscher Banken aufgeflogen waren, Transparenz und Buße gefordert. Bei der HVB kam diese Botschaft an, bei der HSH ebenfalls. Nun heißt es: der Nächste bitte. Klaus Ott

Die HSH ist die erste Staatsbank, die systematischer Steuerdelikte überführt ist, aber sie wird wohl nicht die letzte sein. Die Kölner Ermittler, die mit jeder Menge geheimen Unterlagen von Luxemburger Filialen großer deutscher Geldhäuser ausgestattet sind, haben dem Vernehmen nach mindestens zwei weitere Landesbanken im Visier. Staatliche Finanzinstitute, die ihren Kunden geholfen haben, den Staat zu betrügen, das ist ungewöhnlich. Vor allem, wenn Banken wie die HSH unter ihren früheren Vorständen mit anderen fragwürdigen Geschäften auch noch Milliardenbeträge verzockt haben und mit öffentlichen Mitteln in dieser Höhe gestützt werden mussten, um eine Pleite abzuwenden. Immerhin räumt das heutige Management der HSH kräftig auf, allen voran Vizechef Stefan Ermisch.

Kaum hatte die Kölner Staatsanwaltschaft vor einem halben Jahr die Commerzbank wegen verdächtiger Luxemburg-Geschäfte durchsucht und war fündig geworden, da wurden Ermisch und seine Leute auch schon bei den Ermittlern in der Domstadt vorstellig. Die Nordbank beichtete den Ermittlern, dass man über die frühere, 2011 verkaufte HSH-Filiale in Luxemburg ebenfalls fragwürdig agiert habe. Man werde das selbst untersuchen, mithilfe der Wirtschaftsprüfgesellschaft PwC und der Anwaltskanzlei Ufer-Knauer, und alles offenlegen. So geschah es dann auch. Die HSH kooperierte und kommt deshalb mit den gut 22 Millionen Euro Bußgeld glimpflich davon. Die nun vereinbarte Strafe hätte auch deutlich höher ausfallen können. Ein Insider sagt, die Kölner Ermittler seien überzeugt, dass die Nordbank "mit ihrer Vergangenheit gebrochen" habe. Sonst wäre es viel teurer geworden.

Alles sollte ewig geheim bleiben

Die unrühmliche Vergangenheit der HSH bestand aus riskanten Großkrediten, schmutzigen Tricks und Intrigen im Vorstand und anderem mehr. Dazu gehörte auch eine von der Bank beauftragte, außer Kontrolle geratene Sicherheitsfirma, die teilweise Spitzeldienste leistete. Die Regierungen und Parlamente in Hamburg und Kiel waren außer sich, Staatsanwälte ermittelten wegen Untreue und weiterer Delikte, der Vorstand wurde ausgetauscht. Nun zeigt sich: Da war noch mehr. Sogar Beihilfe zum Betrug am Staat, an den eigenen Eigentümern also. Spätestens ab 2005 bediente die HSH-Filiale in Luxemburg vermögende Klienten aus Deutschland jahrelang mit Briefkastengesellschaften. Das belegen zahlreiche interne Mails und andere Dokumente.

HSH-Manager aus der Niederlassung in dem als Steuerfluchtort bekannten Großherzogtum besorgten solche Tarnfirmen wie am Fließband und regelten alles. Inklusive "Vollmacht für die Liquidation", wenn der betreffende Kunde sterbe. Auch nach dem Tode sollte alles geheim bleiben, auf immer und ewig, um den Erben Ärger zu ersparen. Diese Ewigkeit währte aber nicht lange. Das verfängliche Material, das vor allem aus Firmendokumenten, Mails und Rechnungen besteht, landete bei der Staatsanwaltschaft in Köln. Die Inhaber der von der HSH vermittelten Briefkastenfirmen, darunter auch manch prominenter Geschäftsmann aus dem Norden, bekamen Besuch von der Steuerfahndung. Die geht jedem einzelnen Fall nach. Auch bei einer nach einem bekannten Berg in den Alpen benannten Gesellschaft, mit der ausgerechnet ein ziemlich bekannter, langjähriger Staatsdiener möglicherweise den Fiskus hintergehen wollte. Der Ex-Staatsdiener dementiert das.

Die HSH hingegen bestreitet nichts mehr. Sondern zahlt demnächst. Die Nordbank erklärt, man sei "seit Monaten in dieser Angelegenheit in einem vertrauensvollen Dialog mit der Staatsanwaltschaft Köln". Da das Verfahren noch nicht abgeschlossen sei, so ein HSH-Sprecher, könne man sich nicht im Detail äußern. Doch nicht mehr lange, dann ist alles vorbei.

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SZ vom 19.08.2015/hgn
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