Süddeutsche Zeitung

Steuerbetrug:Privatbank wegen dubioser Aktiendeals unter Verdacht

Lesezeit: 4 min

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott

Es gibt Banken, die stinken, weil sie dreckige Geschäfte gemacht haben. Und es gibt andere Geldinstitute mit einem anderen Habitus und einem anderem Aroma. Man könnte sagen: Sie riechen gut. Keine großen Skandale, keine negativen Schlagzeilen. Die Hamburger Privatbank M.M. Warburg zum Beispiel. 1798 gegründet. Warburg verwaltet Vermögen wohlhabender Kunden in Höhe von mehr als fünfzig Milliarden Euro. Ein angesehenes Haus mit viel Tradition.

Eine geradezu viktorianische Diskretion ist die Regel, und fast weihevoll erklären die hanseatischen Bankiers ihre "Grundsätze": Sie fühlten sich der Gesellschaft "sozial und kulturell verpflichtet" und würden "ungezügelter Gier eine deutliche Grenze" setzen.

Mehrere Führungskräfte unter Verdacht

Ausgerechnet dieses exquisite Geldhaus soll in mutmaßlich kriminelle Aktiengeschäfte in Höhe von mehr als 150 Millionen Euro verwickelt sein. Nach Informationen von SZ, NDR und WDR hat die Kölner Staatsanwaltschaft vor gut vier Wochen die Hamburger Zentrale von M.M. Warburg durchsucht. Es geht wieder mal um Geschäfte mit dem sonderbaren Titel Cum und Ex. Dabei haben sich die offenbar grenzenlos Gierigen beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer vom Fiskus mehrmals erstatten lassen.

Mehrere Führungskräfte der Hamburger Privatbank stehen nun unter Verdacht. Das Verfahren richtet sich gegen fünf Beschuldigte. Darunter Christian Gottfried Olearius, 73, der bei M.M. Warburg eine Legende ist. Fast drei Jahrzehnte hat er die Bank geführt, bevor 2014 sein Sohn Joachim Sprecher der Partner des Bankhauses wurde. Der alte Olearius wurde dann Chef des Aufsichtsrats. Sein Vize im Kontrollgremium ist Max Warburg. Zusammen halten beide 80 Prozent der Anteile. Dass ein deutscher Staatsanwalt mal gegen den alten Olearius wegen des Verdachts des Betruges ermitteln würde, hätte man sich vor Jahren noch nicht vorstellen können. Warburg weist die Anschuldigungen zurück.

Scheinrechnungen aus der Schweiz und Geschäfte über Malta

Inzwischen weiß die Republik, dass Cum-Ex ein mutmaßlich krimineller Exzess der Finanzindustrie war. Von dieser Woche an wird sich auf Antrag der Grünen und der Linken im Bundestag ein Untersuchungsausschuss des Bundestages mit den dubiosen Aktiendeals beschäftigen. Der Ausschuss soll auch der Frage nachgehen, warum die Bundesregierung mehrere Jahre brauchte, um den Cum-Ex-Spuk 2012 zu beenden. Mehr als hundert Banken und Kapitalanlagefonds aus dem In- und Ausland sollen den deutschen Fiskus über Jahre hinweg um mehr als zehn Milliarden Euro ausgenommen haben. Man könnte zu dem Schluss kommen, dass es fast alle gemacht haben müssen, wenn selbst Warburg dabei gewesen sein soll.

Auf eine ausführliche Anfrage mit vielen Details antwortete die Privatbank allgemein: "Im Zuge umfangreicher Ermittlungen nordrhein-westfälischer Behörden" gegen zahlreiche Banken habe "Mitte Januar auch eine Durchsuchung von Geschäftsräumen der Bank in Hamburg stattgefunden". Warburg "unterstützt die Ermittlungen vollumfänglich". Die Strafverfolger aus Köln, erklärte das Geldhaus, gingen dem Anfangsverdacht nach, "dass die Bank Rechnungen akzeptiert und gezahlt habe, ohne dass dafür Leistungen erbracht worden seien. Die Bank hat keine Kenntnisse, die diesen Sachverhalt bestätigen" würden. Die Aktiengeschäfte seien "unter Berücksichtigung der gesetzlichen Anforderungen" erfolgt. Eine "mehrfache Erstattung von Steuern hat die Bank weder erhalten noch beantragt."

Die Auskunft von Warburg geht ein wenig an der Sache vorbei. Hätte eine Bank bei ihren Cum-Ex-Deals eine "mehrfache" Erstattung nur einmal gezahlter Steuern beantragt, dann wäre das dem Fiskus natürlich sofort aufgefallen. Die Aktiendeals sind aber nach Erkenntnissen der Ermittler ganz anders abgelaufen. Kompliziert, trickreich, über viele Stationen im In- und Ausland, sodass die Finanzbehörden lange Zeit nicht gemerkt hätten, wie sie von Banken, Fonds und deren Komplizen ausgenommen worden seien. Inzwischen haben Staatsanwälte und Steuerfahnder umfangreiches Belastungsmaterial gesammelt, offenbar auch im Fall Warburg.

Das feine hanseatische Bankhaus soll Geschäfte mit drei Kapitalfonds gemacht haben. Zweck der Aktiendeals sei es eben gewesen, sich einmal gezahlte Steuern mehrmals erstatten zu lassen, glauben die Kölner Ermittler. Ein Teil der Geschäfte soll über Malta gelaufen sein. Die Insel im Mittelmeer ist bei Cum-und-Ex-Geschäften eine bekannte Adresse. Fachleute sprechen von der "Malta-Struktur". Zwei Warburg-Manager sollen sogar eigenes Geld in die betreffenden Fonds investiert haben. Die Hamburger Privatbank äußert sich zu diesen Details nicht.

Die Kölner Staatsanwaltschaft untersucht im Fall Warburg neben der Malta-Spur auch Verbindungen in die Schweiz und den Weg von vielen Geldflüssen bis in die Karibik. Warburg soll angeblichen Drahtziehern von Cum-Ex-Deals geholfen haben, mehr als zwanzig Millionen Euro beiseitezuschaffen. Zu diesem Zweck soll das Hamburger Geldhaus Scheinrechnungen bezahlt haben, die aus der Schweiz von der Sarasin-Bank gekommen seien. Auch Sarasin ist eine alte Bank mit viel Tradition. Das mit Sarasin umschreibt Warburg in seiner Stellungnahme etwas umständlich so: "Den Zahlungen liegt eine vertragliche Vereinbarung mit einer anderen Bank über die Vermittlung von Wertpapierumsätzen zugrunde."

Es gibt bei der Staatsanwaltschaft in Köln eine lange Liste von Cum-Ex-Beschuldigten, zu denen auch Eric Sarasin gehörte, dessen Familie das gleichnamige Institut über mehrere Generationen hinweg betrieben hatte. Eric Sarasin war bis zu einer Cum-Ex-Razzia Vizechef der Basler Bank gewesen. Der Schweizer Bankier hat schließlich mit der Staatsanwaltschaft Köln kooperiert und ist mit einer Geldauflage in Höhe von 200 000 Euro noch ganz gut weggekommen. Seine Aussagen sollen auch auf die Fährte Warburg geführt haben. Auf Anfrage äußert sich die Schweizer Bank nicht zu dem Fall. Sie weist nur darauf hin, dass die neuen Eigentümer, die brasilianische Milliardärsfamilie Safra und deren Unternehmensgruppe, mit den alten Cum-Ex-Geschäften nichts zu tun hätten. Die Bank aus Basel heißt inzwischen J. Safra Sarasin. Die Bank hatte vor der Übernahme durch Safra Kapitalanleger für Fonds geworben, die Cum-Ex-Deals betrieben.

Es gibt schon ein erstes Geständnis

Die Durchsuchung von M.M. Warburg war offenkundig nur der Auftakt von weiteren Aktionen. Für die Banken wäre es "höchste Zeit zu handeln", hat der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjahns (SPD) Ende 2015 erklärt. Durch Kooperation mit den Behörden sollten sich die einschlägigen Geldinstitute "wenigstens im Nachhinein vom Betrug an der Allgemeinheit verabschieden", forderte der SPD-Politiker.

Ein Wink mit dem Zaunpfahl, es nicht auf Razzien ankommen zu lassen. Die Finanzbehörden in NRW haben für fünf Millionen Euro eine CD mit Insider-Informationen über die Macher und Absahner der Cum-Ex-Geschäfte gekauft. Da kann noch viel kommen. Cum und Ex - das wird in den nächsten Jahren wohl das große Thema im weiten Reich der Wirtschaftskriminalität.

Es gibt schon ein erstes Geständnis. Die Hypo-Vereinsbank hat zusammen mit einem Geschäftspartner Schäden in Höhe von 200 Millionen Euro ausgeglichen und ein Bußgeld gezahlt. Und die Finanzaufsicht Bafin in Bonn hat in Frankfurt neulich mit der Maple-Bank das erste Geldinstitut geschlossen, das offenkundige Cum-Ex-Schulden beim Fiskus nicht begleichen konnte. Bei Maple soll sich das auf bis zu 450 Millionen Euro summiert haben. Falls sich der Verdacht gegen Warburg erhärten sollte, müsste die Bank das Schicksal von Maple nicht fürchten. Dazu ist Warburg viel zu vermögend. Aber der Gier Grenzen zu setzen - das wäre doch eine gute Idee.

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Quelle:
SZ vom 24.02.2016
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