Steueraffäre Zumwinkel:Die Heuchler

Politiker aller Couleur regen sich über Zumwinkel auf - und gebärden sich so, als seien sie die letzte verbliebene Gruppe, die noch zum Vorbild taugt.

Karl-Heinz Büschemann

Kaum war der Post-Chef Klaus Zumwinkel vor laufenden TV-Kameras wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung abgeführt worden, da meldeten sich die ersten Wichtigredner aus der Politik zu Wort. Erwin Huber, CSU-Chef und Bayerns Finanzminister, verlangte "härtere Gesetze für hochgradige Steuersünder". Steuerhinterziehung sei "Diebstahl am Gemeinwohl".

Der sozialdemokratische Generalsekretär Hubertus Heil warf Zumwinkel gar in einen Topf mit "neuen Asozialen". Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Peter Struck bescheinigte dem Post-Manager "Raffgier-Mentalität". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beklagte, die Vorwürfe gegen Zumwinkel könnten bei den Bürgern zu einem Vertrauensverlust führen. Jeder dieser Sätze ist richtig und falsch zugleich.

Wer Steuern hinterzieht und gegen das Gesetz verstößt, verdient eine saftige Strafe, so weit, so gut. Es bleibt aber ein ungutes Gefühl, wenn ausgerechnet die Politiker die Chance nutzen, sich abfällig über Manager zu äußern. Sie sollten sich vor Augen halten, dass sie selbst bei diesem Thema im Glashaus sitzen, aus dem man besser nicht mit Steinen wirft. Zu viele Politiker wurden schon wegen Steuerhinterziehung verurteilt, einer von ihnen war der überaus bekannte frühere FDP-Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff.

Wenn die Volksvertreter es aber selbst mit den Steuergesetzen nicht so genau nehmen, dürfen sie sich auch nicht wundern, wenn die Bürger immer weniger geneigt sind, dem Staat zu geben, was des Staates ist. Auch Politiker sind Teil der gesellschaftlichen Elite dieses Landes, für die besonders hohe moralische Maßstäbe gelten. Im konkreten Fall stellen sich die Staatsvertreter aber noch zusätzlich in ein schlechtes Licht, weil sie die Beschaffung von Informationen aus Liechtenstein mit Mitteln decken, die der Rechtsstaat nicht zulässt.

Falsches Bild

Dass deutsche Behörden gestohlenes Material über Kapitalflüchtige mit Steuergeldern kauften, kann das Verhältnis des Bürgers zum Staat, dem er seine Steuern schuldet, erheblich belasten. Hier wird vom Rechtsstaat selbst der fatale Eindruck erweckt, jedes Mittel sei recht, solange der Finanzminister am Ende mehr Geld in die Kasse bekommt, als die Schmuddelware kostet. Das ist genauso irreführend wie das Zerrbild der gierigen Manager, für die nur der Gewinn zählt.

Die Politiker sind zudem durch die Gestaltung der Steuergesetze an dem beteiligt, was die Finanzwissenschaft "Steuermoral" nennt. Jeder Finanzprofessor diskutiert mit seinen Studenten die Folgen überhöhter Steuersätze oder einer undurchsichtigen Abgabenordnung.

Nicht weil er die Steuerflucht gutheißt, sondern weil die Erfahrung lehrt, dass das Überdrehen der Steuerschraube beim Bürger zu Frust führt und ihn darüber nachdenken lässt, wie er Steuern sparen könnte. Alle Politiker, die an der Einführung der Abgeltungsteuer beteiligt waren, wussten, dass diese Abgabe auf Kapitalerträge ab dem 1. Januar 2009 die Kapitalflucht erhöhen wird. Beschlossen wurde sie trotzdem. Und ebenso klar war, dass die Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte die Schwarzarbeit fördern würde.

Damit soll nicht dem Staat die Schuld am Volkssport Steuerhinterziehung gegeben werden. Aber er trägt erheblich zu dem Klima bei, das die Steuerflucht fördert. "Gelegenheit macht Diebe", sagt der Volksmund, wenn er demjenigen eine gewisse Mitschuld geben will, dem die Geldbörse gestohlen wurde, die unbeobachtet zur leichten Beute wurde. Ein übereifriger Staat trägt eine Teilverantwortung dafür, dass Menschen versuchen, ihr sauer verdientes Geld am Fiskus vorbeizulotsen.

So verwerflich dieses Tun ist, so wenig kann man bestreiten, dass Deuschland ein ungerechtes und unsoziales Steuersystem hat. Dies sollten jene Politiker bedenken, die jetzt verächtlich über Steuersünder vom Kaliber eines Klaus Zumwinkel herfallen und sich so gebärden, als seien sie die letzte verbliebene Gruppe der bundesdeutschen Elite, die noch zum Vorbild taugt. Weit gefehlt.

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