Steuerabkommen mit der Schweiz:Warum Selbstanzeiger künftig die Dummen sind

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Der jahrzehntelange Streit mit den Eidgenossen scheint beigelegt: Deutsche und schweizerische Unterhändler haben ein bilaterales Steuerabkommen ausgehandelt. Doch dieses lässt viele Fragen offen. Zum Beispiel, welche Art von Amnestie Teil des Gesamtpakets sein soll.

von Hans Leyendecker

Fast ein halbes Jahrhundert lang bemühten sich diverse deutsche Bundesregierungen vergeblich um ein Steuerabkommen mit der Schweiz. Aber die Lobby der "Gnomen von Zürich", wie ein früherer britischer Außenminister die Schweizer Geldhändler mal genannt hat, war zu stark. Das Bankgeheimnis, das auf Kosten anderer Länder ging, wurde lange Zeit wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Schätzungsweise 130 Milliarden Euro unversteuertes deutsches Geld lagern immer noch in der Schweiz. Deutschland ist damit das größte Herkunftsland für das in der Schweiz versteckte Schwarzgeld.

Mitte dieser Woche paraphierten deutsche und schweizerische Unterhändler nach langen Verhandlungen ein bilaterales Steuerabkommen, das noch nicht in allen Details bekannt ist. In Deutschland müssen noch Bundestag und Bundesrat zustimmen, in der Schweiz wird möglicherweise eine Volksabstimmung nötig sein.

Ob das Abkommen, wie geplant, Anfang 2013 in Kraft treten wird, ist angesichts der Kräfteverhältnisse in der Länderkammer, wo die schwarz-gelbe Regierungskoalition nicht über eine Mehrheit verfügt, ungewiss. Führende Sozialdemokraten haben bereits der Bundesregierung vorgeworfen, die Steuergerechtigkeit den Interessen Schweizer Banken und "ihrer straffälligen deutschen Kunden zu opfern". Andererseits brauchen auch die Länder mehr Steuereinnahmen. Es bleiben etliche Fragen.

Bedeutet das Abkommen eine Art Amnestie oder eine Teil-Amnestie?

Eine Strafbefreiung soll Teil des Gesamtpakets sein. Nach Angaben von Kennern soll in dem bislang nicht publizierten Abkommen ausdrücklich vermerkt werden, dass Steuerstraftaten, die vor Unterzeichnung des Abkommens erfolgt sind, "nicht mehr verfolgt werden". Diese Regelung soll dann für alle "Beteiligten" gelten: also sowohl für Haupttäter, die Hinterzieher, als auch für ihre Helfer, vor allem in Deutschland oder der Schweiz. Die Ausnahme sind Fälle, wo die Sachverhalte schon den Behörden bekannt und Steuerstrafverfahren eingeleitet worden sind.

Hätte eine solche Regelung vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand?

Unklar ist, ob es eine entsprechende Klage vor dem höchsten Gericht geben wird. Wenn ja, wäre sie vermutlich nicht aussichtslos. Eine solche Teil-Amnestie durch die Hintertür würde möglicherweise zu einer erheblichen Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen führen. Steueranwälte haben in den vergangenen Jahren ihre Klientel immer wieder zu Selbstanzeigen ermuntert.

Lohnt sich eine Selbstanzeige noch?

Wer in der Vergangenheit durch eine Selbstanzeige reinen Tisch gemacht hat, wäre bei Inkrafttreten des Abkommens der Dumme. Das Abkommen sieht eine pauschale Steuer für die vergangenen zehn Jahre vor. Die konkrete Höhe richtet sich nach der Dauer der Geldanlage in der Schweiz und nach der Entwicklung des Vermögens. Die individuelle Belastung auf das jeweilige Kapital soll zwischen 19 und 34 Prozent liegen; also erheblich weniger als nach einer Selbstanzeige fällig würde. Bei einer regulären Nachversteuerung fallen, auch wegen der Zinsen, erheblich höhere Beträge an.

Was erwartet die Schweizer Banken?

Die Schweizer Geldhäuser haben sich viele Jahre gegen ein solches Abkommen gewehrt. Unter dem internationalen Druck lenkte auch die Bankiervereinigung schließlich ein. Die Banken übernehmen jetzt unter anderem die Aufgaben eines deutschen Finanzamtes. Sie sollen die Beträge für ihre Kunden anonym an den deutschen Fiskus abführen. Die Quellensteuer soll 26,375 Prozent betragen. Das entspricht in etwa der deutschen Abgeltungssteuer, die bei 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag liegt.

Werden die Schweizer Banken diese Abschlagszahlungen auch überweisen?

Es gibt in der Schweiz mehr als 300 Banken. Die meisten von ihnen betreuen auch deutsche Kunden, unter denen sich erfahrungsgemäß viele Steuerhinterzieher befinden. Die Geldhäuser haben sich nach einem Schlüssel zur Gesamtzahlung einer Garantieleistung in Höhe von zwei Milliarden Franken verpflichtet. Dies ist eine Art Sicherheitsleistung, die ein Mindestaufkommen bei der Nachbesteuerung sichern soll. Es soll derart auch sichergestellt werden, dass es in der Schweiz keine unversteuerten Kapitalanlagen deutscher Steuerpflichtiger auf Depots oder Konten mehr gibt. Die Banken können das vorgestreckte Geld mit den eingehenden Steuerzahlungen ihrer Kunden verrechnen.

Was bedeutet das Abkommen für den Ankauf von Schweizer Steuersünder-Dateien durch deutsche Behörden?

Der Kauf solcher Dateien in den letzten Jahren war umstritten, hat aber entscheidend dazu beigetragen, dass die Steuerfestungen Liechtenstein und die Schweiz einbrachen. Deutschland sehe "vor dem Hintergrund des Abkommen" keinen Anlass mehr für den Ankauf solcher Kundendaten, heißt es. Ein solcher Verzicht wird von der Steuergewerkschaft und von Ermittlern heftig kritisiert.

Was bedeutet die Einigung für laufende Verfahren?

Nichts. Die Verfahren gegen deutsche Steuersünder laufen weiter. Die Ermittlungen gegen ihre Helfer wurden, wie im Frühjahr im Fall der Schweizer Bank Julius Bär, gegen Zahlung von knapp 50 Millionen Euro eingestellt. Auch im Fall der Vaduzer LGT Treuhand wurden Ende 2010 die Beihilfe-Verfahren gegen Zahlung von rund 50 Millionen Euro eingestellt. Das Verfahren gegen Mitarbeiter der Credit Suisse läuft noch.

Wird auch dieses Verfahren zu einem Einheitstarif von 50 Millionen Euro erledigt werden?

Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen neun Mitarbeiter der Bank: Es handelt sich zumeist um Kundenbetreuer, nur zwei von ihnen leben in der Schweiz. Falls es zu einer Einigung kommen sollte, werden 50 Millionen Euro vermutlich nicht ausreichen, um die Verfahren einzustellen. Fachleute erwarten mindestens einen doppelt so hohen Betrag. In dem Abkommen verpflichtet sich die Schweiz auch, auf die strafrechtliche Verfolgung von Personen wegen Beteiligung am illegalen Erwerb solcher Daten zu verzichten. Angeblich läuft in der Schweiz ein Ermittlungsverfahren gegen einen deutschen Steuerfahnder, der in Sachen Credit Suisse sehr rührig gewesen sein soll.

Wie können deutsche Behörden künftig Steuerhinterziehern leichter auf die Spur kommen?

In Zukunft muss die Schweiz deutschen Steuerbeamten in beschränktem Umfang Amtshilfe leisten. Die deutschen Beamten können zunächst ein Auskunftsgesuch an die Eidgenössische Steuerbehörde schicken. Dieses Gesuch muss nur die Personalien des Verdächtigen enthalten. Im Gegenzug muss die Schweiz mitteilen, ob und wie viele Konten und Depots der deutsche Steuerbürger in der Schweiz unterhält. Danach kann Deutschland ein offizielles Amtshilfegesuch bei den Schweizer Steuerbehörden einreichen. Die Anzahl solcher Anfragen wurde für die Dauer von zwei Jahren auf insgesamt 750 bis 999 Gesuche beschränkt. Diese Zahl könnte aber steigen, wenn sich herausstellen sollte, dass Steuersünder weiterhin in großem Stil ihr Geld in die Schweiz verschieben.

© SZ vom 12.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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