Süddeutsche Zeitung

Steuerabkommen mit der Schweiz:SPD und Grüne zwingen Schäuble zum Nachverhandeln

SPD und Grünen sind die Pläne von Finanzminister Schäuble für ein Steuerabkommen mit der Schweiz viel zu lax: Die von ihnen geführten Bundesländer drohen damit, das Steuerabkommen mit der Schweiz im Bundesrat zu blockieren. Dabei könnte es den Bundesländern Milliarden bringen.

Claus Hulverscheidt

Das traditionelle "Kamingespräch" am Vorabend hoch offizieller Zusammenkünfte in Berlin gehört für die Finanzminister von Bund und Ländern zu den angenehmeren Veranstaltungen im Laufe eines hektischen Jahres. Endlich ist man unter Gleichgesinnten und kann einmal so richtig vom Leder ziehen - nicht über den politischen Gegner, sondern über die "Ahnungslosen" in den eigenen Reihen, die Spargegner und Ausgabenerhöher, die Subventionsverteidiger und Sozialprogrammerfinder. Finanzminister haben es schließlich überall gleich schwer, egal ob sie einer roten, schwarzen oder grünen Regierung angehören.

Das Kamingespräch am Mittwochabend bei Wolfgang Schäuble soll nach Aussage von Teilnehmern weit weniger unterhaltsam gewesen sein als manch frühere Unterredung. Zwar war tags drauf von einer "konstruktiven Gesprächsatmosphäre" die Rede, ihren Streit über das geplante deutsch-schweizerische Abkommen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung konnten der Christdemokrat Schäuble und seine Amtskollegen aus den SPD- und Grün-geführten Ländern aber nicht beilegen.

Im Gegenteil: Die Länder halten Schäubles Umgang mit Steuerschuldnern und Schwarzgeldbesitzern, die ihr Geld heimlich in die Eidgenossenschaft geschafft haben, für viel zu lax und drohen damit, die Ratifizierung des Vertrags im Bundesrat zu verhindern. Schäuble muss nun nachverhandeln - mit ungewissem Ausgang.

Bis zu 180 Milliarden Euro in die Schweiz geschleust

Belastbare Angaben über die Schwarzgeldguthaben in der Schweiz gibt es nicht. Schätzungen zufolge sollen deutsche Anleger 130 bis 180 Milliarden Euro illegal ins Nachbarland geschleust haben.

Nach der bisherigen Planung sollen die Schweizer Banken das Altvermögen deutscher Kunden - sofern es noch nicht entdeckt wurde - einmalig pauschal mit 19 bis 34 Prozent belasten und die Summe an den deutschen Fiskus überweisen. Der genaue Steuersatz richtet sich, vereinfacht gesagt, danach, um welche Anlagen es sich handelt, wie lange das Geld schon auf dem Konto liegt, und ob es schon einmal versteuert wurde. Das Guthaben würde damit legalisiert, die Steuerhinterzieher blieben anonym.

Dagegen gibt es Proteste, weil es beispielsweise der amerikanischen Regierung gelungen ist, die Schweiz so stark unter Druck zu setzen, dass die Namen von US-Bürgern übermittelt werden. Darüber hinaus kritisieren SPD und Grüne, dass deutsche Kontobesitzer in der Schweiz künftig auf alle Anlagen 26,4 Prozent Steuern bezahlen sollen (Abgeltungssteuer plus Solidaritätszuschlag), obwohl eine EU-Richtlinie für Zinsen einen Satz von 35 Prozent vorschreibt.

Auch sei völlig unklar, wie die Zahlungen der anonym bleibenden Kunden auf ihre Korrektheit überprüft werden könnten. Widerstand gibt es zudem gegen die Vereinbarung, dass deutsche Behörden künftig keine illegal erstellten Steuer-CDs mit den Namen von Deutschen mit Schweizer Konto mehr kaufen dürfen.

Schweiz will Anonymität der Kunden wahren

Die Schweiz ist offiziell gesprächsbereit, will den "Kerngehalt des Abkommens" - sprich: die Beibehaltung der Anonymität der Kunden - aber nicht aufgeben. Auch die Bundesländer unter SPD- und Grünen-Führung setzen bei allem Wortgeklingel über die angeblichen Ungerechtigkeiten im Vertrag keineswegs auf Fundamentalopposition: "Wir haben gesagt, wir formulieren unsere Knackpunkte so, dass sie nicht auf Scheitern ausgelegt sind, sondern dass es die Möglichkeit einer Verständigung gibt", sagte der baden-württembergische Finanzminister Nils Schmid (SPD) der Nachrichtenagentur Reuters.

Die konstruktive Haltung ist kaum verwunderlich, denn bei Inkrafttreten eines Abkommens würden auch die Länder Erlöse in beträchtlicher Milliardenhöhe verbuchen. Und Geld kassieren gehört zu den wenigen Dingen, die Finanzminister noch lieber tun, als Kamingespräche zu führen.

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SZ vom 16.03.2012/mane
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