Finanzen:Das ändert sich durch die neuen Steuerklassen

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Das Ehegattensplitting bringt für Paare, bei denen einer viel und einer wenig verdient, echte Steuervorteile gegenüber der individuellen Besteuerung. (Foto: IMAGO/MASKOT)

Die Regierung will die Steuerzahler vor heimlichen Steuererhöhungen bewahren – und eine gerechtere Verteilung in Partnerschaften erreichen.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Das Jahressteuergesetz ist das Wimmelbild unter den Steuergesetzen: Alles, was noch geregelt werden muss im deutschen Steuerrecht, wird als Gesamtpaket durchs Kabinett und danach den Bundestag gebracht. Nun ist zum ersten Jahressteuergesetz 2024 noch ein zweites hinzugekommen, mit zwei Punkten, die für viele Bürger relevant sind: die Erhöhung der Steuerfreibeträge und die Abschaffung der Steuerklassen III und V.

Worum geht es bei den Freibeträgen?

Vereinfacht gesagt ist es so: Das Existenzminimum darf laut Bundesverfassungsgericht nicht besteuert werden, weshalb in der Einkommensteuer ein Grundfreibetrag vorgesehen ist, für Kinder ein Kinderfreibetrag. Diese Freibeträge müssen an die Inflation angepasst werden, was nun mit dem zweiten Jahressteuergesetz passieren soll.

Konkret wird für das laufende Jahr der Grundfreibetrag rückwirkend um 180 Euro auf 11 784 Euro erhöht und der Kinderfreibetrag um 228 Euro auf 6612 Euro. Nächstes Jahr soll der Grundfreibetrag dann um weitere 300 Euro auf 12 084 Euro steigen, 2026 noch einmal um 252 Euro auf 12 336 Euro. Der Kinderfreibetrag wird für 2025 um 60 Euro auf 6672 Euro angehoben, 2026 noch einmal um 156 Euro auf 6828 Euro. Die Zahlen sind allerdings noch vorläufig; endgültig werden sie mit dem Progressionsbericht im Herbst. Parallel wird auch das Kindergeld angehoben: Ab Januar 2025 bekommen Eltern je Kind 255 Euro statt 250 Euro.

Gibt es noch mehr Veränderungen bei der Einkommensteuer?

Ja. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat durchgesetzt, dass auch der Tarifverlauf in der Einkommensteuer an die Inflation angepasst wird. Technisch gesprochen werden die Eckwerte, also die Einkommensgrenzen, ab denen der jeweils nächsthöhere Steuersatz fällig wird, erhöht. Diese Verschiebung gleicht den Effekt der sogenannten kalten Progression aus. Ohne Anpassung könnte nämlich schon ein Gehaltsplus in Höhe der Inflationsrate dazu führen, dass jemand mehr Steuern zahlen muss, obwohl er oder sie sich ja gar nicht mehr leisten kann – weil in Deutschland die Steuersätze mit dem Einkommen steigen.

Die Anpassung der Eckwerte ist faktisch keine Steuersenkung, sondern verhindert heimliche Steuererhöhungen. Der einzige Eckwert, der nicht verschoben wird, ist der für die „Reichensteuer“: Dieser Steuersatz, der mit 45 Prozent oberhalb des „normalen“ Spitzensteuersatzes von 42 Prozent liegt, greift weiterhin ab 277 826 Euro Einkommen. Die Freigrenzen für den Solidaritätszuschlag dagegen werden angepasst. Insgesamt haben allein die für 2025 und 2026 geplanten Steueranpassungen ein jährliches Volumen von 12,8 Milliarden Euro.

Was passiert mit den Steuerklassen?

Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD, Grüne und FDP darauf verständigt, die „Kombination aus den Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV“ zu überführen. Das passiert jetzt.

Was ist das Ausgangsproblem?

Wenn Paare unterschiedlich hohe Einkommen haben, kann für sie bislang die Kombination der Steuerklassen III und V attraktiv sein. Der Gutverdiener geht in Steuerklasse III und bekommt neben seinem eigenen Grundfreibetrag auch den des Partners (meistens: der Partnerin) gutgeschrieben. Auch die Kinderfreibeträge werden allein zugunsten des Gutverdieners verrechnet. Dadurch sinken dessen monatliche Lohnsteuerabzüge signifikant.

Im Gegenzug aber ist die Belastung des Geringverdieners enorm – wegen des Wegfalls sämtlicher Freibeträge. Der psychologische Effekt ist, dass Geringverdiener den Eindruck haben, ihre Arbeit lohne sich im Grunde gar nicht und es bringe auch nichts, die Arbeitszeit aufzustocken.

Was ändert sich jetzt?

Paare landen künftig entweder in der normalen Steuerklasse IV, oder sie beantragen die neue „Steuerklasse IV mit Faktor“ beim Finanzamt. Im Prinzip wird bei diesem Verfahren der Anteil berechnet, den jeder Partner zum Familieneinkommen beiträgt – und der wird dann entsprechend besteuert. In dem Gesetzentwurf heißt es: „Mit dem Faktorverfahren wird die Lohnsteuerbelastung gerechter auf die Eheleute, Lebenspartnerinnen und Lebenspartner verteilt.“ Die Lohnsteuer könne anhand des jeweiligen erwirtschafteten Arbeitslohns ermittelt werden.

In der Begründung des Entwurfs wird betont, durch das Faktorverfahren werde „zwischen den Ehegatten klarer herausgestellt, wer wie viel netto zum Einkommen beiträgt“. Eine „übermäßig hohe Belastung“ des einen Einkommens, wie bislang in der Steuerklasse V, werde so vermieden.

Bringt das was?

Dass Frauen häufiger in Teilzeit oder gar Minijobs arbeiten als Männer, hat viele Gründe: persönliche Präferenzen, eine traditionelle Aufteilung von Beruf und Familie innerhalb der Partnerschaft, die Pflege von Angehörigen. Allerdings halten viele Experten auch die bisherige Besteuerung von Paaren für kontraproduktiv. Im Zentrum steht dabei jedoch meistens das Ehegattensplitting an sich – das durch die Reform aber nicht angetastet wird.

Denn die Abschaffung der III/V-Kombination in der Einkommensteuer wirkt sich zwar auf das monatliche Brutto-Netto-Gefüge innerhalb einer Partnerschaft aus. Insgesamt aber soll sich die Steuerlast nicht verändern. Das Ehegattensplitting dagegen bringt für Paare, bei denen einer viel und einer wenig verdient, echte Steuervorteile gegenüber der individuellen Besteuerung. Weil diese Vorteile schrumpfen, wenn die Ehefrau ihre Arbeitszeit erhöht, ist Mehrarbeit steuerlich eher unattraktiv – was wiederum nicht zum politischen Ziel einer höheren Arbeitsleistung von Frauen passt.

Wie geht es jetzt weiter?

Am 24. Juli soll das Kabinett den Entwurf für das zweite Jahressteuergesetz beschließen. Die rückwirkende Anpassung der Freibeträge für das laufende Jahr könnte sogar schon am 17. Juli durchs Kabinett.

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