Süddeutsche Zeitung

Airbnb:Was dem Staat an Steuern entgeht

  • Wäre Airbnb verpflichtet, Steuern direkt abzuführen, könnte der Staat mehr als 200 Millionen Euro einnehmen.
  • Die Bundesregierung hat aber mit Airbnb nicht über die Weitergabe von Steuerdaten gesprochen - und plant das wohl auch nicht.

Von Alexander Hagelüken

Wer eine Stadt besucht, geht oft nicht mehr ins Hotel, sondern bucht über Plattformen wie Airbnb eine private Übernachtung. Ein schönes Geschäft. Es wird schon länger vermutet, dass dem Finanzamt dabei Geld entgeht. Forscher des Mannheimer ZEW-Instituts machen Vorschläge, wie sich Steuerhinterziehung stoppen und mehr einnehmen lässt. In Deutschland wären es mehr als 200 Millionen Euro im Jahr, so die Analyse, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Die Ökonomen haben ermittelt, dass allein in Berlin über Airbnb Ende 2018 mehr als 10 000 Wohnungen und Zimmer angeboten wurden. In Hamburg und München sind es halb so viel. Bei einem mittleren Preis von 80 Euro pro Nacht in München und 50 Euro an den anderen Orten lässt sich gut verdienen. Die Forscher rechnen den Jahresumsatz in 20 deutschen Städten auf 700 Millionen Euro hoch. Wie viele Vermieter bezahlen darauf Steuern? Airbnb sieht sich selbst nur als Vermittler und verweist auf die Anbieter.

Hamburg beantragte vor einem halben Jahr beim irischen EU-Sitz des US-Konzerns, die Listen der Vermieter zu erhalten. Das sollte auch ein Signal für andere Bundesländer sein. Was daraus wurde, ist unbekannt. Christopher Ludwig und seine Forscherkollegen schlagen vor, Steuerhinterziehung zu verhindern, indem die Politik Plattformen wie Airbnb direkt in die Pflicht nimmt. So wie Arbeitgeber, die ja die Lohnsteuer für ihre Mitarbeiter einbehalten. Weil die Gäste direkt an Airbnb zahlen, erscheint das einfach zu bewerkstelligen. Die Plattform müsste nur die fällige Einkommensteuer einbehalten und an das Finanzamt weiterleiten.

Die Finanzämter sollen Airbnb so behandeln, als wäre der Konzern der Vermieter

Nach bisherigem Recht sinkt diese Einkommensteuer stark, wenn Vermieter hohe Kosten für Möbel, Reparaturen oder Modernisierung gegenrechnen. Deshalb fordert das ZEW eine Pauschalsteuer wie bei Kapitalerträgen. Bei einem Steuersatz von 20 Prozent würden die Finanzämter 130 Millionen Euro im Jahr einnehmen.

Dann ist da noch die Umsatzsteuer. Für elektronische Marktplätze wie Amazon, über die Anbieter Waren verkaufen, gelten seit diesem Jahr strengere Regeln. Das soll Missbrauch verhindern, nachdem bekannt wurde, dass drei von vier chinesischen Anbietern auf Amazon keine deutsche Umsatzsteuernummer hatten. Die Plattformen müssen nun Daten der Verkäufer bereitstellen, in bestimmten Fällen haften sie.

Die Forscher schlagen vor, diese Praxis auf Vermittler wie Airbnb auszudehnen, die statt Waren Dienstleistungen wie Übernachtungen anbieten. "Damit wären sie verpflichtet, Daten über die Geschäfte für die Finanzbehörden vorzuhalten. Sie hätten ein Eigeninteresse an einer fairen Besteuerung, um im Zweifelsfall nicht zu haften", sagt Christopher Ludwig. Langfristig sollen die Finanzämter im Zuge von EU-Plänen Airbnb so behandeln, als würde der Konzern dem Gast die Unterkunft selbst anbieten. "Damit wäre der Betreiber dann voll umsatzsteuerpflichtig."

Mehr als 40 Prozent der deutschen Vermieter erwirtschaften mehr als 17 500 Euro im Jahr, sodass sie Umsatzsteuer abführen müssen. Damit könnten die Finanzämter mit 30 Millionen Euro im Jahr rechnen. Und es wird noch mehr, falls der politisch umstrittene niedrige Satz für Übernachtungsumsätze, der erst 2010 auf Druck der FDP auf sieben Prozent fiel, wieder erhöht wird. Beim normalen Steuersatz würden die Finanzämter knapp 90 Millionen Euro im Jahr mehr einnehmen. Macht zusammen mit der Einkommensteuer mehr als 200 Millionen Euro. Bezieht man mehr als die analysierten 20 Städte ein und andere Vermittler wie Wimdu oder 9flats.com, kommt noch mehr Geld zusammen. "Es wäre gerecht, Mieteinahmen über Airbnb effektiver zu besteuern", sagt der Forscher Rainer Bräutigam. "Auch der Wettbewerb mit Hotels wird fairer."

"Airbnb möchte die Gastgeber dabei unterstützen, ihren Steuerverpflichtungen nachzukommen", erklärte eine Sprecherin. "Deswegen erinnert Airbnb die Gastgeber regelmäßig daran, ihren Steuerverpflichtungen nachzukommen und arbeitet mit Regierungen in ganz Europa zusammen, um die Einkommensteuerregelungen und -verfahren für Gastgeber zu vereinfachen."

Die Städte drängt das Thema, weil Wohnungseigentümer oft lieber lukrativ über Airbnb an Touristen anbieten, statt dringend benötigten Wohnraum langfristig zu vermieten. In Hamburg und Berlin müssen sich Anbieter registrieren, in Hamburg dürfen Wohnungen von diesem Jahr an nur noch zwei statt sechs Monate im Jahr über Airbnb offeriert werden. Die Bundesregierung dagegen lässt das Thema links liegen, kritisiert die Linke. Auf ihre Anfrage erklärte die Regierung im Oktober, sie habe nicht mit Airbnb über die Weitergabe von Steuerdaten gesprochen - und plane das auch nicht.

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SZ vom 28.01.2019/sebi
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