Stellenstreichungen:Siemens hat gerade in Sachsen eine politische Verantwortung

Protestaktion der Görlitzer Turbinen-Werker gegen die Sparpläne

Die Mitarbeiter wollten für ihr Siemens-Werk in Görlitz kämpfen - gebracht hat das nichts. Es soll in den kommenden Jahren geschlossen werden.

(Foto: dpa)

Der Konzern muss auf die Energiewende reagieren. Doch nach einem solchen personellen Kahlschlag kann sich die öffentliche Meinung schnell weiter radikalisieren.

Kommentar von Caspar Busse

Die derzeitigen Veränderungen in der Energiebranche sind radikal, aber sie sind im Grundsatz richtig: Statt Strom aus Kohle und Gas zu gewinnen, kommt dieser immer häufiger aus erneuerbaren Quellen wie Windkraft oder Sonnenenergie. Die überdimensional großen Kraftwerke verschwinden, an ihre Stelle treten viele kleine dezentrale Energieproduzenten.

Dass die Menschheit angesichts des Klimawandels bei der Energieproduktion umsteuern muss, ist ohne Zweifel. Viele Länder, darunter auch Deutschland, sind da auf einem guten Weg. Aber wie so oft gibt es auch eine Kehrseite - und das ist die verzweifelte Lage von Unternehmen wie Siemens.

Der Münchner Konzern hat jahrelang sehr gut vom Bau eben jener Großkraftwerke gelebt, die heute nicht mehr gefragt sind. Nun aber muss auch er den Abbau von knapp 7000 Jobs verkünden. Es ist ein beispielloser Kahlschlag, ganze Werke sollen geschlossen werden. Arbeitnehmer und Gewerkschaften wollen das nicht hinnehmen. Es droht eine Konfrontation, die das Potenzial hat, das bislang doch sehr einvernehmliche Miteinander von Management und Mitarbeitern bei Siemens zu gefährden.

Die öffentliche Meinung könnte sich in Sachsen weiter radikalisieren

Doch auch ein Weltkonzern wie Siemens hat eine politische Verantwortung. Dass es ausgerechnet Ostdeutschland und dort vor allem Sachsen treffen wird, ist in der Tat ein schwerer Schlag. Die Standorte in Görlitz und Leipzig sollen geschlossen, das Werk in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt möglicherweise verkauft werden. Für jene noch immer strukturschwachen Regionen mit überdurchschnittlich hohen Arbeitslosenzahlen ist das kaum zu verkraften. Die Mitarbeiter, die von den Kürzungen betroffen sind, dürften nur sehr schwer eine neue Beschäftigung finden - wenn überhaupt.

Ohnehin ist die politische Lage in Sachsen derzeit sehr labil, überdurchschnittlich viele Wähler haben sich dort zuletzt für die AfD entschieden. Nach einem solchen Kahlschlag könnte sich die öffentliche Meinung weiter radikalisieren.

Siemens-Chef Joe Kaeser und die für Personal zuständige Janina Kugel dürften solche Aspekte bei ihren Entscheidungen nicht außer Acht lassen. Noch ist es nicht zu spät, die Pläne genau zu überdenken. Zumindest aber sollten die beiden großzügige, sozialverträgliche Regelungen finden. Siemens, vor 170 Jahren in Berlin gegründet, steht in aller Welt wie kaum ein anderes Unternehmen für deutsche Ingenieurskunst. Es darf dem Unternehmen nicht egal sein, welche politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen die Streichmaßnahmen haben - selbst wenn sie aus wirtschaftlicher Sicht geboten sind.

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