Wer in den vergangenen Monaten versucht hat, einen Handwerker zu bekommen, weiß es. Genauso, wer am Flughafen im Gepäck- oder Abfertigungschaos steckte. Oder wer vor verschlossener Tür im Restaurant stand: wegen Personalmangel heute Ruhetag. Es herrscht Fachkräftemangel in Deutschland. Personalberater nennen es einen "Kampf um Talente".
Das zeigt sich auch an den Stellenanzeigen. Von Januar bis Juni haben Arbeitgeber deutschlandweit mehr als 5,4 Millionen Stellen ausgeschrieben. Das sind deutlich mehr als im gleichen Zeitraum in den vergangenen zwei Jahren, die noch stark von der Pandemie und den Teil-Lockdowns geprägt waren, aber auch 14 Prozent mehr als in den ersten sechs Monaten 2019, also dem Jahr vor der Corona-Pandemie, ergibt sich aus der jüngsten Stellenmarkt-Auswertung der Index-Anzeigendaten, der größten Stellenanzeigen-Datenbank Europas. Analysiert wurden veröffentlichte Stellenanzeigen in 249 Printmedien, auf 349 Online-Jobbörsen und 136 000 Firmenwebsites sowie im Stellenportal der Bundesagentur für Arbeit.
In diesem Jahr bewegte sich die Anzahl der inserierten Stellen monatlich stabil zwischen rund 1,2 und 1,4 Millionen Positionen. Wer ein passendes Handwerk oder einen sonst gesuchten Beruf gelernt hat, kann aus mehr als einer Million Jobs wählen. Von Januar bis Juni dieses Jahres richteten sich die meisten Stellenangebote an folgende Fachkräfte: Bauarbeiter und Handwerker (fast 1,2 Millionen Positionen), technische Fachkräfte wie Ingenieure und Architekten (rund eine Million Positionen) und Vertriebler (nahezu 886 000 Positionen). Eine andere Studie, die kürzlich veröffentlicht wurde, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Auftrag gegeben hatte, zeigt, dass vor allem Handwerker mit abgeschlossener Berufsausbildung zunehmend knapp sind auf dem Arbeitsmarkt. Die "Fachkräftelücke" lag im vergangenen Jahr bei 75 452 Gesellen. Außerdem konnten 7239 Meisterstellen nicht besetzt werden.
Die meisten ausgeschriebenen Stellen gab es laut Index im ersten Halbjahr in Nordrhein-Westfalen und Bayern mit je rund 1,2 Millionen Jobs. Im Städteranking lag Berlin mit mehr als 436 000 Positionen an der Spitze, deutlich vor München mit fast 280 000 Jobs und Hamburg mit mehr als 25 000. Der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel schlug in einem Interview mit der Bild am Sonntag vor, die Wochenarbeitszeit zu verlängern, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen: "Wollen wir Menschen nicht lieber wieder mehr verdienen lassen, indem wir etwas länger arbeiten?"