3000 Stellen fallen weg:Kahlschlag bei Media Markt und Saturn

Schlechte Stimmung bei den Elektro-Ketten: Die Metro-Tochter macht hohe Verluste - und streicht 3000 Stellen. Um aus der Misere zu kommen, drängen Saturn und Media Markt jetzt massiv ins Internetgeschäft.

Uwe Ritzer, Aschaffenburg

So viel öffentliche Selbstkritik war noch nie bei Media-Saturn. Ein ums andere Mal beklagten führende Manager von Europas größtem Elektronik-Händler einen massiven Gewinneinbruch, hohe Verluste im zweiten Quartal, den verspäteten Start der eigenen Online-Aktivitäten und den Umstand, dass das bisherige Geschäftsmodell an seine Grenze gestoßen sei. Der Schauplatz war eine Lagerhalle in einem Gewerbegebiet in Aschaffenburg, in der sich Paletten voller Fernseher bis unter die Decke stapeln. Hier arbeitet Redcoon, ein reiner Internethändler, der seit März zur Media-Saturn-Gruppe gehört, jener Holding, die die Ketten Media-Markt und Saturn zusammenfasst.

Konjunkturerwartungen ueberraschend gesunken

Kunden eines Saturn-Marktes in Mainz stehen vor einer Reihe mit Wachmaschinen.

(Foto: ddp)

Das Internet soll mithelfen, "unsere Marken Media-Markt und Saturn wieder sexy zu machen", sagte Media-Saturn-Vizechef Rolf Hagemann am Dienstag in der Halle. Dass es dabei drastische Einschnitte geben wird, ließ er nebenbei und erst auf Nachfrage fallen. Media-Saturn wird allein in diesem Jahr 3000 Arbeitsplätze in Europa abbauen.

Die meisten Stellen werden in der Verwaltung gestrichen - vor allem in einzelnen Landesgesellschaften. Das Unternehmen beschäftigt 70.000 Menschen und betreibt bei zuletzt 20,8 Milliarden Euro Umsatz knapp 900 Märkte. Die Verkäufer dort seien vom Abbau weniger betroffen, erklärte Horst Norberg, oberster Geschäftsführer der Media-Saturn Holding; man wolle nicht bei der Kundenberatung sparen. Der Kahlschlag ist Teil eines Programms, mit dem Media-Saturn bis 2014 die Kosten um eine halbe Milliarde Euro senken will. Es sind die drastischsten Einschnitte in der Geschichte des Unternehmens, das zu 75 Prozent dem Handelskonzern Metro gehört und zu einem Viertel den Gründern Erich Kellerhals und Leopold Stiefel.

MediaSaturn hat das Internetgeschäft verschlafen - das rächt sich

Bekanntlich streiten die Gesellschafter derzeit vor Gericht um die Macht bei Media-Saturn. Das macht die Arbeit nicht einfacher. Aber auch im Tagesgeschäft schwächelt die Gruppe wie nie. Im zweiten Quartal fuhr man in Saturn- und Media-Märkten 44 Millionen Euro Verlust ein. Im gesamten ersten Halbjahr 2011 ging der Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit) um 123 Millionen Euro zurück. Vor allem in Deutschland ist das Ergebnis eingebrochen. Vizechef und Finanzvorstand Hagemann sprach von einem "sehr, sehr schlechten ersten Halbjahr". Am Jahresende soll das Ebit bei 575 Millionen Euro liegen; das wäre der niedrigste Stand seit 2005.

Es rächt sich, dass die seit Jahren profitabelste Metro-Tochter vor allem das Internetgeschäft bislang weitgehend verschlafen hat. Doch nun soll alles sehr schnell gehen. Das stationäre Geschäft in den Märkten und jenes im Internet sollen rascher als geplant verzahnt werden. Im Oktober soll Saturn mit einem eigenen Verkaufsportal ins Netz gehen, im Januar soll Media-Markt folgen. Anfangs mit 2500, später mit allen Produkten, die es in den Filialen zu kaufen gibt.

Die Ingolstädter haben sich eine ausgeklügelte Strategie ausgedacht, damit der Kunde künftig ein und dasselbe Produkt im Netz wie in den stationären Märkten zum selben Preis kaufen kann. Hat der Verbraucher Waren online bestellt, kann er sie auf Wunsch im Markt um die Ecke noch am selben Tag abholen. Auch Retouren können über den Händler vor Ort abgewickelt werden. Die Marktleiter, die bei Media-Saturn traditionell mit zehn Prozent an ihren Läden beteiligt sind, sollen auch am Internetumsatz mit zehn Prozent partizipieren.

Einher damit kündigte Hagemann eine flächendeckende Preissenkung im stationären Handel bei Saturn- und Media-Markt an, um die Kluft zu den teilweise deutlich günstigeren Internethändlern zu schließen. "Wir haben ein Preisproblem", sagte er. "Wenn aber unser Preis-Image in Mitleidenschaft gezogen würde, wäre das für Media-Saturn das Schlimmste." Statt als Bedrohung wolle man aber das Onlinegeschäft bei Media-Saturn "künftig als Riesenchance und Riesenaufgabe sehen".

Das kann ja nie schaden. Die Ziele sind wirklich ehrgeizig: Fünf Milliarden Euro Umsatz will man bis 2015 im Netz erwirtschaften und Online-Marktführer in Europa werden. Mithelfen soll dabei Redcoon. Der Internethändler aus Aschaffenburg soll neben Saturn.de und Mediamarkt.de eigenständig im Netz agieren. Hagemann sagte, Media-Saturn wolle weitere Internethändler hinzukaufen, die jedoch andere Geschäftsmodelle wie Redcoon verfolgen würden und sich gegenseitig ergänzen sollen. Man sei bereits auf der Suche und denke etwa an Spezialisten oder Live-Shopping-Kanäle. Ziel sei es, innerhalb von Media-Saturn eine Online-Sparte zu bilden. Auf dass in Zukunft solche Auftritte voller Selbstkritik nicht mehr nötig sind.

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