Süddeutsche Zeitung

Steigende Lebensmittelpreise:Böse Spekulanten, gute Spekulanten

Foodwatch-Chef Thilo Bode macht Finanzinvestoren wie die Deutsche Bank für den Hunger in der Welt verantwortlich und fordert: Der Handel mit Nahrung muss eingeschränkt werden. Der Wirtschaftsethiker Ingo Pies hält das für den falschen Weg. Ein Streitgespräch

Sind die Spekulanten schuld am Hunger auf der Welt? Diese Frage ist unter Experten schwer umstritten. Erst recht, seit Thilo Bode, Chef der Verbraucherorganisation Foodwatch, eine Untersuchung vorgelegt hat, in der Deutsche Bank, Goldman Sachs und Co. als Hauptverursacher weltweit steigender Lebensmittelpreise genannt werden.

Bode fordert, Spekulationsgeschäfte zu verbieten. Der Wirtschaftsethiker Professor Ingo Pies widerspricht dem. Er meint, ohne Finanzinvestoren würden die Agrarmärkte zusammenbrechen. Die Kontrahenten treffen in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung erstmals direkt aufeinander.

Für Bode steht die Ursache für den zunehmenden Hunger eindeutig fest: "Das Problem ist nicht, dass es zu wenig Lebensmittel gibt, sondern dass viele Menschen kein Geld haben, sie zu kaufen". Schuld daran seien die Akteure an den Finanzmärkten. Sie hätten mit ihren Spekulationen die Preise für Nahrungsmittel in den Jahren 2007 und 2008 und noch mal 2010 und 2011 in die Höhe getrieben.

Einig sind sich die Kontrahenten nur in dem Punkt, dass die steigenden Preise viele Menschen in extreme Nöte gestürzt hätten. "Die Spekulanten an den Märkten tragen daran aber keine Schuld", betont Pies. Grund dafür seien realwirtschaftliche Faktoren, wie etwa ein zu geringes Angebot an Nahrungsmitteln und Exportbeschränkungen während der Hungerkrisen. Der Wissenschaftler kommt zu dem Ergebnis, dass eine Beschränkung von Spekulation die Agrarmärkte nicht besser, sondern schlechter funktionieren lasen würde.

Anlass der Auseinandersetzung zwischen Foodwatch-Chef Bode und dem Wissenschaftler ist die Studie "Die Hungermacher - Wie Deutsche Bank, Goldman Sachs & co auf Kosten der Ärmsten mit Lebensmitteln spekulieren", die die Verbraucherorganisation im vergangenen Jahr vorgelegt hat. Die Thesen sorgen bis heute für großen Wirbel.

Pies hält es für einen Fehler, wenn die Banken nicht mehr spekulieren

Einige Banken und Investmentgesellschaften, nicht aber die Deutsche Bank, haben inzwischen dem Drängen von Foodwatch und anderer Organisationen wie Oxfam nachgegeben und angekündigt, dass sie ihre Spekulationsgeschäfte an den Agrarmärkten zumindest einschränken wollen.

Der Wirtschaftsethiker Pies hält dies für einen großen Fehler. Rohstoffbörsen bräuchten Spekulanten, um richtig zu funktionieren und genügend Kapital für Akteurei in der Landwirtschaft bereitzustellen. Er wirft Bode vor das Markgeschehen falsch zu interpretieren und sieht dabei die Wissenschaft auf seiner Seite.

Bode weißt das zurück: "Ihr Vorwurf ist unberechtigt. Wir zitieren die entscheidenden wissenschaftlichen Studien, sehen aber auch die Grenzen der Wissenschaft bei diesem Thema." Deshalb habe Foodwatch einen umfassenden Report erarbeitet, der als politische Streitschrift auch die Erfahrungen von Analysten, Händlern und internationalen Organisationen berücksichtige. "Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die exzessive Spekulation einzuschränken", ergänzt Bode.

Pies macht dagegen realwirtschaftliche Faktoren für den Hunger verantwortlich: "Wir haben eine steigende Lebensmittelnachfrage, auch weil in den Schwellenländern die Einkommen steigen und die Menschen mehr Fleisch essen." Der Fleischkonsum habe eine Hebelwirkung auf die Getreideproduktion.

Für Pies ist das ein strukturelles Problem. "Es werden einfach nicht genügend Lebensmittel produziert. Deshalb müssen wir global mehr anbauen." Bode widerspricht: Nahrung sei genug vorhanden, sie werde nur falsch verteilt.

Das gesamte Streitgespräch zwischen Thilo Bode und Ingo Pies lesen Sie in der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung sowie auf dem iPad.

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