Steag:Kritik am Kohleausstieg

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Manche Braunkohlekraftwerke sollen in Deutschland noch länger am Netz bleiben als weniger klimaschädliche Steinkohlemeiler. Das sei weder eine ökonomische noch eine ökologische Entscheidung, moniert einer der größten Energiekonzerne des Landes.

Von Benedikt Müller, Essen

Der Beschluss der Kohlekommission sei schmerzhaft für sein Unternehmen, sagt Joachim Rumstadt. Der 53-Jährige ist Chef der Steag, einem der größten Betreiber von Steinkohlekraftwerken hierzulande. Dass Deutschland in den ersten Phasen des Kohleausstiegs vor allem Steinkohlemeiler abschalten will, während einige klimaschädlichere Braunkohlekraftwerke länger am Netz bleiben sollen, ärgert Rumstadt. "Dies ist keine ökonomische, keine ökologische, sondern eine rein politische Entscheidung", sagt der Steag-Chef. "Hier wird offenbar Rücksicht auf die bevorstehenden Landtagswahlen genommen."

Tatsächlich hängen an der Braunkohleverstromung mehrere tausend Arbeitsplätze in der Lausitz und in Mitteldeutschland; sowohl in Brandenburg als auch in Sachsen stehen in diesem Jahr Landtagswahlen an. Vor allem aber baut Deutschland seine Braunkohle in Tagebauen ab, die über Jahre renaturiert werden müssen. Steinkohle hingegen wird seit diesem Jahr ausschließlich importiert und verfeuert.

Wenn Deutschland nun bis 2038 alle Kohlemeiler vom Netz nehmen wird, will die Steag mit dem Bund über Entschädigungen verhandeln. Dem Konzern, gegründet 1937 als Steinkohlen-Elektrizität AG, schweben Kompensationen von 600 Millionen Euro pro stillgelegtem Gigawatt vor. Insgesamt betreibt die Steag hierzulande Kraftwerke mit 5,5 Gigawatt Kapazität im Ruhrgebiet und im Saarland. Der Bund erwägt allerdings, die Stilllegung von Steinkohlemeilern auszuschreiben: Wer sich mit der geringsten Entschädigung zufriedengibt, bekäme dann den Zuschlag.

Der hiesige Kohleausstieg soll dennoch nicht das Ende der Steag sein, die sechs Stadtwerken aus dem Ruhrgebiet gehört, mithin größtenteils der öffentlichen Hand. Das Unternehmen betreibt auch Meiler in der Türkei, Kolumbien und auf den Philippinen. Hinzu kommen gut 200 kleinere Anlagen, etwa Windräder, in Europa. "Und diese Aktivitäten sind rentabel", sagt Rumstadt. Für 2018 meldet die Steag einen Gewinn vor Zinsen und Steuern von gut 160 Millionen Euro. Mehr als die Hälfte haben die Essener im Ausland erwirtschaftet.

Umso mehr bezweifeln Kritiker, dass Ruhrpottstädte die richtigen Eigentümer des Konzerns sind. "Der Ausbau der Auslandsaktivitäten passt nicht zur kommunalen Verankerung der Steag und auch nicht zu einer ökologischen Neuausrichtung", moniert etwa Mehrdad Mostofizadeh, Fraktionsvize der Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag. Die Essener Stadtverwaltung empfiehlt bereits, dass ihr Stadtwerk seine 15-prozentige Beteiligung verkaufen sollte. Der Steag-Aufsichtsratsvorsitzende und Dortmunder Stadtwerke-Chef Guntram Pehlke stellt sich hingegen wiederholt hinter die Auslandsgeschäfte.

Die Stadtwerke steuern dabei unweigerlich auf eine Entscheidung zu. Denn ihre Beteiligungsgesellschaft hat die Übernahme der Steag von der früheren Ruhrkohle AG vor einigen Jahren kreditfinanziert. Diese Darlehen laufen im nächsten Jahr aus; die städtischen Verantwortlichen verhandeln derzeit über eine Anschlussfinanzierung über etwa 400 Millionen Euro. Ob die Stadtwerke ihre Steag-Anteile untereinander tauschen könnten, werde sich zeigen, sagt Rumstadt. "Da sind auch unterschiedliche Interessen unterwegs." Alternativ stehen Anteilsverkäufe an einen privaten Investor im Raum.

© SZ vom 10.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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