Kolumne: Das deutsche Valley:Lernen von Dan & Nick

Marc Beise, 
Kol. das deutsche Valley
(Foto: Bernd Schifferdecker/Bernd Schifferdecker)

In Corona-Krisenzeiten bleibt vieles auf der Strecke, auch der Austausch von Studierenden und Gründern über Staatsgrenzen und erst recht von Kontinent zu Kontinent. In St. Gallen trotzen zwei junge BWL-Studenten der Krise.

Von Marc Beise

Nick Rupprechter und Dan Meier erreicht man via Videokonferenz, wie auch sonst. Die beiden jungen Studenten wohnen in St. Gallen in einer WG. Eigentlich studieren sie Betriebswirtschaftslehre in dem beschaulichen Städtchen in der Ostschweiz, das eine der führenden Business-Universitäten Europas beherbergt - was alles zusammen beste Voraussetzungen für eine Karriere im internationalen Management sind. Aber das Studium sei "mittlerweile eher eine Nebenbeschäftigung", sagen beide und verweisen auf ihr Herzensanliegen, die Studierendeninitiative Start Global, die junge Gründer kontinentübergreifend in der Schweiz schulen und vernetzen will.

Früher, "vor Corona", hätte man sich auf einen Arbeitstag in St. Gallen verabredet und gleich das ganze Programm inspizieren können, von dem hier die Rede sein soll. So aber hängt man vor dem Bildschirm und klaubt sich seine Eindrücke zusammen - was leichtfällt angesichts der sanktgallenhaften Strukturiertheit der beiden Studenten und zugleich ihrer Begeisterungsfähigkeit, die sie ein ungewöhnliches Fördermodell aufbauen ließ.

Nick Rupprechter ist 22 Jahre jung, er kommt aus München und macht gerne Geschäfte, schon als Schüler handelte er mit Designerkleidung. Dan Meier, ein Jahr älter, stammt aus dem schweizerischen Zug und ist technikbesessen: Diese Kombination stand schon am Anfang manches bedeutenden Start-ups. Kaum waren die beiden in St. Gallen, reifte die Idee zu einem Start-up-Förderprogramm. Die Idee: Junge Gründer aus der Welt für ein halbes Jahr in die Schweiz holen und ihnen die Chance geben, im technisch, wirtschaftlich und finanziell hoch entwickelten Land voneinander und von etablierten Förderern zu lernen.

Als die Pandemie gerade Pause machte, im vergangenen Herbst, sind also 19 junge Menschen von 14 Start-ups eingereist - geschlechtermäßig ausgeglichen, was allein schon bemerkenswert ist in der üblicherweise männerlastigen Gründerszene. Jetzt im ersten Jahrgang kommen die Teilnehmer gezielt aus zwei Ländern, die man gemeinhin eher nicht in einem Atemzug nennt: Rumänien und Kolumbien. Alle haben, nächste Besonderheit, einen technischen Hintergrund: Computer Science, Maschinenbau, Materialwissenschaften.

Auftritt Ana-Maria Melinte. Die 24-Jährige ist Hobby-Schauspielerin und mag den Auftritt und die Emotionen der Bühne. Vor allem aber ist sie Masterstudentin an der Universität Bukarest und Computer- und Softwarespezialistin, ihr Spezialgebiet: künstliche Intelligenz (KI). Mit zwei Kommilitoninnen hat sie vor einem Jahr Exigo gegründet, sowohl ein Software- als auch ein Hardware-Start-up aus dem aufstrebenden Digital-Health-Metier.

In der Schweiz eignen sie sich die nötige Business-Expertise an

Ihr Produkt ist eine tragbare Smart-Orthese, also eine technisch anspruchsvolle Schiene, die den Heilungsprozess von Gliedmaßen unterstützt. Mittels kleiner Motoren und Sensoren können Rehabilitationsübungen unterstützt werden. Die dabei gemessenen Daten werden direkt an eine dazugehörige App übermittelt, Ärzte und Physiotherapeuten überwachen den Rehabilitationsprozess aus der Distanz. Dies erlaubt es, Patienten früher als üblich aus Reha-Kliniken zu entlassen und spart Kosten.

Alle drei Co-Gründerinnen sind Teil des Programms. Da sie aus einer technischen Studienrichtung kommen, nutzen sie die Gelegenheit, sich in der Schweiz die nötige Business-Expertise anzueignen. Durch direkten Austausch mit den technologisch fortschrittlichen Schweizer Kliniken konnte der Softwareteil des Produkts bereits um KI-basierte Minispiele erweitert werden, die die Patienten während des Heilungsprozesses motivieren sollten, die Übungen auszuführen.

Oder Mateo Bolivar. 20 Jahre jung, aus Bogotá, Kolumbien. Der Freizeitmusiker (singt, spielt Gitarre und Klavier) studiert an der Universidad de La Sabana. Er gründete sein erstes Start-up mit 17 Jahren, war jüngster Teilnehmer beim "Shark Tank Kolumbien". Im Gespräch betont er eine soziale Verpflichtung, ist aktiver Mentor für vier junge Gründer. Sein Unternehmen Contler ist eine Kommunikationssoftware für Hotels, die mit skalierbarer Technologie das Personal mit seinen Gästen verbindet, komplett an die jeweilige Marke des Hotels angepasst, der Kenner spricht von "white label".

Im Start-Fellowship-Programm kam Contler in Kontakt mit großen Hotelketten wie den Hard-Rock-Hotels in Davos. Bolivar hat bereits zwei Hotels als zahlende Kunden gewonnen und einen Schweizer Co-Gründer, das Unternehmen hat seinen rechtlichen Sitz jetzt in der Schweiz, auch ein Schweizer Investor ist eingestiegen: Genau so haben sich das Dan und Nick und ihr internationales studentisches Team vorgestellt.

Alle 19 Teilnehmer erhalten dank eingeworbener Spendengelder ein Entrepreneurship-Stipendium und werden komplett finanziert, Bürofläche und Laborplätze stehen kostenlos zur Verfügung. Die Universität St. Gallen bietet Kursteilnahmen und Infrastruktur.

An diesem Donnerstag hat der erste Jahrgang seinen virtuellen Abschluss-Pitch. Die acht besten Start-ups werben um die Aufmerksamkeit weiterer Investoren - ehe sie nach ihrer Rückkehr nach Rumänien und Kolumbien mit ihrem Start-up durchstarten und so die lokale Wirtschaft stärken können. Dan und Nick erwarten bereits die nächste Generation von Gründern. Diesmal wird der Fokus auf Brasilien, Kolumbien und Mexiko liegen.

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