Süddeutsche Zeitung

Start-ups in Europa:So viel Geld wie nie zuvor

Junge europäische Unternehmen haben 2020 eine Rekordsumme an Kapital eingesammelt. Im Städte-Ranking liegt London weit vor Paris und Berlin.

Von Elisabeth Dostert, Berlin

Der Geldregen kam im September. Da sammelte Infarm bei Investoren 170 Millionen Dollar, umgerechnet 144 Millionen Euro, ein. Das 2013 gegründete Start-up aus Berlin stellt in Supermärkten, Restaurants und anderen Standorten in Städten seine Gewächsvitrinen auf, in denen Salat und Kräuter gezogen werden. In der Rangliste der größten Finanzierungsrunden im Start-up-Barometer der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsfirma EY schaffte es Infarm damit auf Platz fünf. Noch mehr Geld sammelten Grover, das Start-up vermietet Elektronikgeräte, Tier Mobility mit seinen Elektro-Scootern und Lilium mit seinen elektrisch angetriebenen, senkrecht-startenden Flugtaxis ein. Auf dem Spitzenplatz landete der Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1 Group mit 255 Millionen Euro. Er ist mittlerweile an der Börse notiert.

Insgesamt sammelten europäische Start-ups 2020 so viel Geld ein wie nie zuvor, heißt es im Start-up-Barometer. Die Zahl der Deals stieg um 58 Prozent auf knapp 6700, das Finanzierungsvolumen lag mit 36,5 Milliarden Euro 17 Prozent über dem Vorjahreswert. In der Pandemie seien zahlreiche Herausforderungen für die Wirtschaft noch offensichtlicher geworden, wird EY-Partner Thomas Prüver in der Pressemitteilung am Sonntag zitiert: "Viele Start-ups haben dafür die passenden Lösungen parat. Das hat sie bei Kapitalgebern attraktiv gemacht." Bei vielen der jungen Unternehmen gehe es um "gesellschaftliche Megatrends" wie Digitalisierung, Klima- und Umweltschutz oder Gesundheit. Oder um alles gleichzeitig, so liest sich jedenfalls die Selbstdarstellung von Infarm.

Trotz des Brexit schauen viele Investoren nach Großbritannien

Den Spitzenplatz in Europa nahm dem Barometer zufolge der italienische Mobilitätsdienstleister The Telepass Group ein, der gut eine Milliarde Euro bei Investoren sammelte. Auf den vorderen Plätzen landeten besonders viele junge britische Finanzdienstleister wie Inigo, KI Insurance, Kilter Finance und Revolut. Im Ländervergleich konnte Großbritannien im Brexit-Jahr seinen Vorsprung deutlich ausbauen, das Finanzierungsvolumen erreichte insgesamt knapp 14 Milliarden Euro nach gut elf Milliarden im Vorjahr. Deutschland landete 2020 mit knapp 5,3 Milliarden Euro auf dem zweiten Platz vor Frankreich mit 5,2 Milliarden Euro.

Da liegt es fast nahe, dass die britische Hauptstadt London sowohl gemessen an der Zahl der Deals als auch am Finanzierungsvolumen das Städteranking anführt - vor Paris und Berlin. Immerhin schaffte es mit München noch eine zweite deutsche Stadt unter die ersten zehn. Die britische Start-up-Szene sei insgesamt deutlich besser internationalisiert als beispielsweise die deutsche, urteilt Berater Thoma Prüver: "Auch der Brexit hat nichts daran geändert, dass viele Investoren aus dem Ausland stärker nach Großbritannien als in andere europäische Länder blicken. Sicherlich trägt auch die englische Sprache dazu bei." In Großbritannien habe sich ein Ökosystem aus Start-ups, Inkubatoren und Geldgebern gebildet, das konsequent auf Internationalisierung setzt, so Prüver: "London als internationale Finanzmetropole ist hierfür ein gutes Sprungbrett."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5275635
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.