Start-ups:Das Geld sitzt nicht mehr so locker

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Nicht spielen, Geld verdienen! Investoren sehen bei Start-ups mittlerweile genauer hin. (Foto: Daniel Ingold/imago/Westend61)
  • Wegen des Kaulquappen-Vergleichs investierte man bisher in viel Start-ups. Wer am Ende als Frosch den Teich verlässt, weiß man nicht.
  • Es galt: Wachstum um jeden Preis. Ob ein Start-up in absehbarer Zeit Gewinne machen würde, war sekundär.
  • Die aktuelle Dynamik erinnert allerdings an die Dotcom-Blase. Wohin auch sonst mit dem Geld.

Von Helmut Martin-Jung und Jürgen Schmieder

Jemand hätte Adam Neumann vielleicht warnen sollen. Dessen Idee, Büroflächen kurzfristig zu vermieten, war tatsächlich nicht besonders originell. Die Investoren jedoch störte das nicht. Und auch nicht, dass Neumanns Firma Wework im ersten Halbjahr 2019 einen Verlust von 904 Millionen Dollar eingefahren hat, nach satten 1,9 Milliarden Miese im Jahr davor. Einige Finanzierungsrunden machten das Unternehmen trotz alledem mit 47 Milliarden Dollar zum wertvollsten privaten Unternehmen der USA. Nach dem geplanten Börsengang sollten es sogar 65 Milliarden sein - doch der wurde kurzfristig abgesagt, Neumann als Chef abgesetzt. Hauptinvestor Softbank, ein japanischer Telekommunikationskonzern, versucht jetzt zu retten, was zu retten ist. Wert des Unternehmens nun: acht Milliarden Dollar, Zukunft: ungewiss.

Wework ist nicht das einzige hoch bewertete Start-up, das in sich zusammenfallen könnte. Dass es nicht jedes Start-up zum Börsenstar schafft, gehört zum Geschäft der Risikokapitalgeber. Branchenkenner illustrieren das gern mit dem Kaulquappen-Beispiel. Irgendwann werden Frösche aus dem Teich kommen, das steht fest. Doch welche Kaulquappe es schafft - unmöglich, das vorherzusagen. Also setzt man auf viele Kaulquappen.

Wework ist ein besonders krasser Fall, einer, der die Branche aufgerüttelt hat. Aber er war nicht der Einzige. Es gab da ja auch noch die desaströsen Börsengänge des sozialen Netzwerks Snap, des Mobilitätsvermittlers Uber und dessen Wettbewerbers Lyft, und das sind bloß die bekanntesten Namen. Führt das nun zu einem Umdenken?

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Wachstum um jeden Preis - das war lange Zeit der Regenbogen, an dessen Ende alle den Börsengang und damit den Topf voller Gold vermuteten, und oft genug hatte das ja auch prächtig funktioniert. Ob ein Start-up in absehbarer Zeit Gewinne machen würde, war sekundär. Doch jetzt denken nicht mehr alle so: "Wir haben etwa vor einem Jahr festgestellt, dass sich die Dinge grundlegend verändert haben", sagt Travis VanderZanden, Gründer des Elektroroller-Verleihs Bird: "Wachstum ist nicht mehr das primäre Ziel für junge Unternehmen. Wir müssen uns zusammenreißen. Ich war auch mal ein Wachstum-Typ, das bin ich jetzt nicht mehr." Der Hauptinvestor Sequoia Capital wolle eher wissen, ob und wann die Firma profitabel sein würde. Kommt also im Valley nach Jahren, in denen bei risikoreichen Wetten auf Start-ups enorme Summen verbrannt wurden, nun tatsächlich die große Ernüchterung nach dem großen Goldrausch? Und wie ist die Lage nun eigentlich in Deutschland?

Spricht man mit deutschen Risikokapitalgebern und Branchenexperten, wird eines schnell klar: Dass derart viel Geld in ein Start-up gepumpt wird wie bei Wework und anderen, dazu kommt es in Europa schon aus einem simplen Grund nicht: "Hier ist um den Faktor zehn weniger Geld vorhanden", sagt Paul Wolter, Teamleiter für Politik und Kommunikation beim deutschen Start-up-Verband. Die Gründe dafür seien historisch und kulturell bedingt. Sie haben auch mit der Struktur des Finanzmarktes zu tun, sagt Wolter. Riesige Pensionsfonds, die teilweise auch in Start-ups investieren, gebe es hier eben nicht.

Ob der Fall Wework und andere nun wirklich das Gebaren der amerikanischen Risikokapitalgeber verändert, darüber gehen die Meinungen auseinander. Kurt Müller vom deutschen Risikokapitalgeber Target Partners beobachtet schon, "dass die Aktienmärkte mehr Substanz verlangen", sagt er. Start-ups, die Geld wollten, müssten nachweisen, dass sie ein Geschäftsmodell mit Substanz haben. Deutsche Risikokapitalgeber seien schon deshalb vorsichtiger, aber auch effizienter, weil sie "nicht so viel Benzin ins Feuer gießen können", wie Müller das plakativ umschreibt. Also sehe man eben auch genauer hin. "Wir sagen vielen Firmen, dass die Chance nicht groß genug ist."

Die Millionen fließen lockerer als noch vor wenigen Jahren

Schließlich wollen die Investoren nicht nur ihr Geld zurückhaben, sondern auch Gewinn machen, drei Euro für jeden Euro, den sie in eine Firma gesteckt haben. Auch hier gibt es aber eine Mischkalkulation. "Wir müssen Drachenjäger sein", sagt Müller. Ein Drache, das ist eine Investition, die das in alle Beteiligungen investierte Portfolio zurückzahlt. Müller hat durchaus Verständnis dafür, dass vielversprechende Unternehmen auch viel Geld erhalten, besonders wenn es darum geht, Marktführer zu sein. Marktführer, das heißt bei sogenannten Plattform-Unternehmen wie Airbnb oder Flixbus, die als Vermittler auftreten, nämlich auch, dass der sich einen großen Teil des Kuchens schnappt oder sogar den ganzen. "Das ist ein Winner-takes-it-all-Markt", sagt Verbandsmann Wolter.

In den vergangenen Jahren aber hat sich eine Dynamik entwickelt, die an die Dotcom-Blase der Jahrtausendwende erinnert. Damals war Geld in nahezu jedes Start-up geflossen, das versprach, irgendetwas im Internet zu machen. Das ist heute zumindest in den USA durchaus ähnlich. Bei Finanzierungsrunden, die sich an die Start-up-Phase anschließen, habe es vor wenigen Jahren im Durchschnitt noch zwei Millionen Dollar gegeben, "jetzt sind es zehn", sagt Benedict Rodenstock von Astutia Ventures, einer unabhängigen Beteiligungsgesellschaft aus München. Manche Fonds seien mehr als eine Milliarde Dollar groß, der Vision Fonds von Softbank sei sogar 100 Milliarden Dollar schwer. Und ein zweiter ist schon in Vorbereitung.

Wohin auch sonst mit dem Geld in Zeiten der Niedrigzinsen? Im vergangenen Jahr haben US-Start-ups 130,9 Milliarden Dollar Risikokapital eingesammelt, das war zum ersten Mal mehr als zu den verrückten Dotcom-Zeiten. Leute wie Softbank-Gründer und Chef Masayoshi Son denken eben gern groß. Obwohl der Finanzmarkt warnt, obwohl der bekannte New Yorker Professor Scott Galloway das Geschäftsmodell von Wework in der Luft zerriss, Son will weitere 9,5 Milliarden Dollar in die Firma stecken. Der Zeitung Nikkei Business verriet er kürzlich: "Ich habe den Firmengründern gesagt, dass sie ihre Grenzen kennen müssen", und dann folgte dieser Satz: "Seine Grenzen zu kennen hilft dabei, grenzenlose Möglichkeiten zu entfesseln." Seine Grenzen scheint Son offenbar noch nicht erreicht zu haben.

© SZ vom 26.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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