Start-up:Die Renovierer aus Kalifornien

Eigentlich wollten Adi Tatarko und Alon Cohen nur ihr Haus umbauen. Daraus wurde dann ein Milliarden-Unternehmen für Hausrenovierer, Architekten, Handwerker - und alle anderen, die Häuser und Einrichtungen mögen.

Von Kathrin Werner, New York

Adi Tatarko und Alon Cohen haben nie geplant, Unternehmer zu werden. Die Geschichte ihres Start-ups Houzz, das inzwischen mehr als zwei Milliarden Dollar schwer ist, begann 2009. Damals kaufte das Ehepaar sein erstes Haus in Kalifornien, es stammte aus den 50er-Jahren, Tatarko und Cohen wollten es von Grund auf renovieren. "Wir hatten große Träume", sagt Tatarko. "Leider war das Ganze dann alles andere als traumhaft."

Alles war schwieriger als gedacht. Einen Stil auszuwählen, Handwerker und Architekten zu finden, ein Budget aufzustellen und im Budget zu bleiben und vor allem den Designern zu erklären, was genau sie sich für ihr Heim wünschten. Es war frustrierend. "Nach einem Jahr haben wir noch einmal ganz von vorn angefangen", sagt sie. Aber das Paar wohnt nun mal im Silicon Valley - und ging das Renovierungs-Problem daher mit der typischen Geisteshaltung im Tal der kalifornischen IT-Unternehmen an: Es gibt kaum ein Problem, das sich mit Hilfe des Internets nicht lösen ließe. Nach ihrem frustrierenden ersten Renovierungs-Jahr starteten sie eine Website, auf der Menschen von ihren Renovierungsplänen erzählen, Designideen zeigen, Probleme diskutieren und Fotos vom Fortschritt veröffentlichten. Erst machten gerade einmal 20 Nachbarn um ihr Haus in Palo Alto herum mit und luden ihre Umbau-Projekte und Kontaktdaten von guten Handwerkern hoch. Doch die Sache sprach sich herum, bald wollten auch Häuslebauer aus anderen Städten und anderen Bundesstaaten mitmachen. Aus der kleinen Internet-Gruppe wurde ein Unternehmen: Houzz. Nach ein paar Monaten der Nebenbeschäftigung kündigten Tatarko und Cohen ihre Jobs. Die beiden gebürtigen Israelis brachten die passenden Vorkenntnisse mit, um zu Gründern zu werden: Cohen war Programmierer bei Ebay, Tatarko arbeitete bei einer kleinen Investmentfirma.

Sie gehört mit 300 Millionen Dollar zu den 50 reichsten Self-Made-Women in den USA

Inzwischen hat Houzz weltweit 40 Millionen Nutzer, die mindestens einmal im Monat die Seite besuchen, und 1,2 Millionen Designer, Architekten und Handwerker, die über Houzz versuchen, mit Kunden in Kontakt zu kommen. Houzz zählt, obwohl längst nicht so bekannt wie andere Internetfirmen, zur Gruppe der sogenannten Einhörner, also der Start-ups, die von Investoren mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet werden. 215 Millionen Dollar haben Tatarko, die inzwischen Chefin der Firma ist, und Cohen, der Technikchef, seit der Gründung im Jahr 2010 von Wagniskapitalgebern eingesammelt, insgesamt ist das Start-up damit mehr als zwei Milliarden Dollar wert. Es verdient Geld, indem es Gebühren von den Profis verlangt, die Kunden auf Houzz finden wollen. Außerdem betreibt Houzz inzwischen einen Onlineshop, über den man zum Beispiel Möbel und Küchengeräte kaufen kann.

"Uns haben Leute aus Alaska angerufen und gefragt, ob wir ihnen ein Produkt schicken können, das sie auf einem Foto aus Kalifornien gesehen haben", sagt Tatarko. "Wir haben da eine Lücke gefüllt."

Sie gehört mit 300 Millionen Dollar Vermögen sogar zu den 50 reichsten Selfmadewomen in Amerika, schätzt das Magazin Forbes, also zu den Frauen, die ihr Geld durch eigene Arbeit, nicht durch Erbe oder Ehe bekommen haben. "Wir haben die Website gestartet, weil wir einen Bedarf gesehen haben, nicht weil wir ein Unternehmen gründen wollten", sagt die 43-Jährige. "Das Unternehmen hat sich von selbst ergeben." Das Start-up aus Kalifornien hat etliche Websites eröffnet, die sich auf spezielle Länder konzentrieren, darunter England, Frankreich, Russland, Japan, Singapur, Indien und Deutschland. Schließlich bringt es einem Häuslebauer in Stuttgart wenig, sich Handwerker in San Francisco anzuschauen. Außerdem sind die Geschmäcker unterschiedlich. Houzz ist inzwischen so groß, dass Tatarko die Wohn-Sorgen und Wünsche der Welt kennt, die Daten ihrer Firma sind eine Art Konjunkturindikator und Kulturbildnis. Sogar die US-Statistikbehörde wertet sie aus.

In den USA, erzählt Tatarko, hätten die Menschen in der Finanzkrise ihre Häuser fast nur renoviert, um einen höheren Preis zu bekommen, wenn hohe Hypothekenschulden sie zum Verkauf zwangen. Heute renovieren die Amerikaner wieder, um es für sich und ihre Familien schöner und praktischer zu machen. Und sie geben dafür wieder mehr aus als vor der Finanzkrise: rund 324 Milliarden Dollar im Jahr. Die Amerikaner finanzieren ihre Renovierungen zum großen Teil auf Kredit - ganz anders als die Deutschen, die nur umbauen, wenn sie Geld dafür gespart haben.

82 Prozent der deutschen Umbauer nehmen ihr Erspartes für ihr Projekt, der Anteil ist so hoch wie sonst nirgendwo auf der Welt. Dies sei nur ein Beispiel, dass sich gewisse Vorurteile gegenüber Ländern und Kulturen in ihren Daten bestätigen, sagt Tatarko. "Es ist unglaublich, wie oft wir sehen, dass Dinge, die wir uns schon immer gedacht hatten, sich tatsächlich als wahr erweisen."

Gerade hat Houzz die frischen Daten für die deutschen Häusle-Umbauer ausgewertet. "Die Deutschen lieben alles, was ökologisch sinnvoll und funktional ist", sagt Tatarko. Und anders als Amerikaner, die oft noch schwere Vorhänge, dicke Teppiche und verschnörkelte Möbel kaufen, wollen die Deutschen skandinavisches Design und die klaren Linien des Bauhaus-Stils. "Im Osten renoviert die Mehrheit die Innenräume, im Süden den Außenbereich", sagt Tatarko. "Sind diese regionalen Unterschiede nicht interessant?" Am meisten Geld geben die Deutschen für Badezimmer aus. Auch Küchen sind beliebt, insbesondere teure Marken-Geräte. Durchschnittlich geben deutsche Hausbesitzer nahezu 57 000 Euro für die Renovierung aus.

Hoffentlich laufen die Projekte mit weniger Stress ab als damals bei Tatarko und ihrem Mann, der auf die Frage, ob es schwierig sei, als Ehepaar ein Unternehmen zu führen, einst antwortete: "Es ist nichts im Vergleich zu einem Haus-Umbau."

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