Nahaufnahme:Die Selbstbewusste

Nahaufnahme: Songs Erfolgsgeheimnis: "Ich habe 'Ja' zu Dingen gesagt, auch wenn ich mich nicht 100 Prozent wohl gefühlt habe."

Songs Erfolgsgeheimnis: "Ich habe 'Ja' zu Dingen gesagt, auch wenn ich mich nicht 100 Prozent wohl gefühlt habe."

(Foto: oh)

Der Fingernagel-Lieferant Manime wird in diesem Jahr mehr als drei Millionen Dollar umsetzen - auch deshalb, weil Gründerin Jooyeon Song gelernt hat, an sich selbst zu glauben.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es sind, gerade in diesen Tagen, sehr viele traurige und tragische Geschichten zu hören. Dazu gehören auch Geschichten von all den Firmengründern, für die ein schwieriges oder gar schreckliches Jahr zu Ende geht. Denn diese Pandemie hat nicht nur in den Lungen der Erkrankten, sondern auch in den Bilanzen von vor allem kleinerer Unternehmen gewütet. Es tut deshalb vielleicht mal ganz gut, eine hoffnungsfrohe Erzählung aus diesem Jahr zu hören - und eine, die sich nicht um ohnehin milliardenschwere Konzerne wie Apple oder Amazon dreht, sondern um eine kleine Firma aus Santa Monica, über die eine Investorin tatsächlich sagen kann: "Covid war ein riesiger Rückenwind."

Investorin ist Maha Ibrahim, und sie hat zum ersten Mal vor drei Jahren von dieser Firma gehört, die es damals noch gar nicht wirklich gegeben hat. Die damals 25 Jahre alte MBA-Studentin Jooyeon Song stellte ihre Idee in einem Start-up-Kurs an der Elite-Universität Stanford vor, die - wie so viele Silicon-Valley-Geistesblitze - auf einer persönlichen Erfahrung beruhte. "Es war für mich beinahe unmöglich, zwei Stunden lang in einem Nagelstudio zu sitzen." Künstliche Fingernägel galten damals als nicht gerade schick, die Idee deshalb: Die Kunden sollten Fotos ihrer Nägel hochladen und dann individuell für sie erstellte Gel-Nägel aus dem 3-D-Drucker für 15 Dollar bekommen. Der Name der Firma: Manime.

"Man konnte auf Plattformen wie Instagram zahlreiche Produkte einfach so bestellen, aber keine Fingernägel", sagt Song. Sie gibt zu, dass sie aufgrund ihres Alters und der mangelnden Erfahrung gezögert habe: "Eine der wichtigsten Vorlesungen in Stanford war von Professorin Allison Kluger: Es ging darüber, dass Frauen grundsätzlich weniger selbstbewusst seien als Männer - dass man sich dieses Selbstbewusstsein aber antrainieren könne. Ich habe dann auch 'Ja' zu Dingen gesagt, auch wenn ich mich nicht 100 Prozent wohl gefühlt habe." Sie habe gelernt, nicht mehr so viel Angst vor Fehlern und dem möglichen Scheitern zu haben.

Im April 2018 gründete sie gemeinsam mit ihren Freunden Grace Chiang und David Miro Llopis die Firma Manime. Der Umsatz in den ersten beiden Wochen: 1000 Dollar. Es folgte die zweite Idee, als sie bemerkte, dass viele Leute Fotos von coolen Designs zu ihren Terminen im Studio brachten. Sie beschloss, die Künstlerinnen zu kontaktieren und sie für ihre Entwürfe zu bezahlen. Im vergangenen Jahr sagte die New Yorker Fingernagel-Künstlerin als Partnerin zu. Mittlerweile sind Instagram-Stars wie Hang Nguyen oder Kia Stewart dabei. Und die haben auch gleich einen Teil der Umsätze oder Anteile am kalifornischen Unternehmen bekommen, das in vier Finanzierungsrunden insgesamt 8,6 Millionen Dollar eingesammelt hat.

Seit Anfang des Jahres wütet die Coronavirus-Pandemie weltweit, in Kalifornien zum Beispiel sind Nagelstudios mittlerweile seit neun Monaten geschlossen. Hin und wieder war es draußen im Freien erlaubt, doch auch das ist derzeit verboten. Die Kunden schicken also fünf Fotos zu Manime, kein Design kostet mehr als 25 Dollar. Der Umsatz soll in diesem Jahr bei mehr als drei Millionen Dollar liegen, Jooyeon Song wurde kürzlich in die berühmte 30-Under-30-Liste des Magazins Forbes aufgenommen.

Seit Juli gibt es das Angebot auch für die Zehen. Ungefähr zur gleichen Zeit hat Song eine Sonder-Kollektion mit ihren Partnern angeboten, deren Profit zu gleichen Teilen dem Kampf gegen Covid und gegen systematischen Rassismus zugute kam. "Es ist unsere Pflicht, dieser Branche, die so stark betroffen ist von der Pandemie, ein bisschen was zurückzugeben", sagt Song. Das sei mindestens so wichtig wie ihre Botschaft an all jene, die zweifeln, ob sie ihre Idee umsetzen sollen: "Man kann tatsächlich lernen, selbstbewusst zu sein." Sie ist der lebende Beweis dafür.

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